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Ich bin die Nacht

Ich bin die Nacht

Titel: Ich bin die Nacht
Autoren: Ethan Coss
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Ende vom Gang liegt, war der Pechvogel, der heute in dieser Tankstelle gearbeitet hat. Wir Menschen halten uns für die Krone der Schöpfung, für besser und klüger als alle anderen Kreaturen, aber soll ich euch mal was sagen?«
    Ackerman blickte die beiden Cops an, als wäre er ein hungriges Raubtier und sie seine Mahlzeit. Er senkte die Stimme. »Am Ende ist es egal, mit wie viel Größenwahn wir uns blenden. Wir sind Jäger oder Gejagte, Raubtier oder Beute. Der Sieger überlebt, der Verlierer verwest. Unser Schicksal wird allein von unseren Entscheidungen bestimmt. Also, entschließt euch.«
    Jim stand regungslos da, wie gebannt von dem Verrückten hinter der Kasse. Ackerman hatte seine wirre Ansprache voller Leidenschaft gehalten, wie ein Politiker, der ein hehres Ziel vertritt und mit seiner Rede die Menge aufrütteln will. Noch nie hatte Jim erlebt, wie ein Mann, auf den zwei Pistolen gerichtet waren, so ruhig blieb. Ackerman zeigte nicht die geringste Angst. Angst schien ihm so fremd zu sein wie einem Neandertaler ein Flugzeug. Vor allem schien er überzeugt zu sein, die Lage fest im Griff zu haben.
    Jim fühlte sich mit einem Mal wehrlos, obwohl er eine Waffe in der Hand hielt.
    »Sie bluffen doch nur! Sie haben keine Geisel!« Toms Stimme klang schrill und zittrig. »Sonst würde draußen ein Wagen stehen. Und jetzt heben Sie die Hände, Mann, damit ich sie sehen kann, oder ich jage Ihnen eine Kugel zwischen die Augen!«
    Jim fand Toms Worte nicht überzeugend. Der Irre schien es ähnlich zu sehen. Ackerman hatte seinen Wagen vermutlich hinter dem Gebäude abgestellt, damit es so aussah, als wäre er der Tankwart. Wenn er hier wirklich eine Frau als Geisel hielt, hätte er auch ihren Wagen hinter die Tankstelle gefahren.
    Jim wusste nicht, ob Tom diese Möglichkeiten übersah oder ob er nur verzweifelt versuchte, die Pattsituation zu beenden. Aber was Tom auch plante, es konnte nicht gut gehen. Ackerman würde niemals zulassen, dass diese Sache unblutig zu Ende ging. Tom konnte es in den Augen des Killers lesen.
    Ackerman seufzte und blickte zur Theke. »Tja, mein Schatz«, sagte er mit erhobener Stimme, »offenbar glauben die beiden nicht an dich. Schrei doch mal, damit sie wissen, dass es dich gibt.«
    Bei Ackermans letztem Wort zerbarst die Vorderseite der Theke. Holzsplitter flogen in alle Richtungen. Die Schrotladung traf Tom in die linke Seite. Blut spritzte Jim ins Gesicht, während Tom von dem Treffer zu Boden geschleudert wurde.
    Jim warf sich in den nächsten Gang. Einen Sekundenbruchteil später schlug eine zweite Ladung Schrot in das Regal ein, vor dem er eben noch gestanden hatte. Brennende Dorito-Chips wirbelten durch die Luft.
    Jim richtete sich auf und feuerte zwei Schüsse rasch hintereinander um die Ecke. Er sah, wie seine Kugeln in die Theke einschlugen, als auch schon die Schrotflinte antwortete. Wieder warf er sich in Deckung.
    Tom schrie vor Schmerz. Er musste beim Sturz seine Waffe verloren haben und war offenbar halb besinnungslos, denn er machte keine Anstalten, in Deckung zu kriechen. Jim wusste, dass sein Partner keine Überlebenschance hatte, wenn er nicht sofort Hilfe herbeirief.
    Mit raschen Bewegungen löste er sein Funkgerät vom Gürtel. »Trooper verletzt … benötigen Rettungswagen«, meldete er mit abgehackter Stimme. Seinen Namen und seine Position brauchte er nicht zu nennen. Das Funkgerät übertrug einen individuellen Code an die Zentrale, während das GPS im Streifenwagen anderen Einheiten seinen Standort mitteilte.
    Wenn er jetzt nicht handelte, waren er und Tom tot, sobald die Verstärkung eintraf.
    Jim versuchte sich zu konzentrieren, aber seine Gedanken schweiften immer wieder zu seiner Frau und seiner Tochter. Sehe ich sie wieder? Werde ich erleben, wie Ashley aufwächst? Er dachte daran, wie er ihr die goldenen Locken streichelte und sie auf die Stirn küsste, wie ihre Augen vor Bewunderung strahlten, wenn er sie auf seinen Schoß setzte und ihr vorlas, wie Emily, seine Frau, ihn jeden Morgen zum Abschied küsste und ihm sagte, er solle auf sich aufpassen. Er dachte an das wundervolle Gefühl, sie in den Armen zu halten und ihr mit den Fingern durch das schwarze Haar zu fahren. Er schwor sich, sie wiederzusehen, doch eine boshafte Stimme in seinem Kopf flüsterte: Du belügst dich selbst.
    Das Gemisch aus Pulvergestank und dem Geruch der parfümierten Reinigungsmittel stieg Jim in die Nase, und ihm wurde schwindlig. Entweder lag es am Geruch oder an dem
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