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Ich beschütze dich

Ich beschütze dich

Titel: Ich beschütze dich
Autoren: Penny Hancock
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verbrannt. Dann wird dieser künstliche Schimmer vom Wasser zurückgeworfen, färbt die Ufer und taucht das Zimmer in das gleiche strahlende, bernsteinfarbene Licht.
    »Was machen Sie da?«, fragt Jez. Er raucht einen Joint. Weil er bei dem, was ich vorhabe, mitarbeiten muss, ist sein Tee mit Schlaftabletten versetzt. Er wehrt sich nicht mehr, seit er am Montag ins Musikzimmer zurückgekehrt ist. Ich glaube, solange es ihm nicht gut geht, genießt er es auf gewisse Weise sogar, hier zu sein, für nichts Verantwortung tragen zu müssen.
    Als ich Seb zum letzten Mal sah, lag er einbalsamiert in seinem Sarg auf dem Tisch im Wohnzimmer, seine Jugend für immer festgehalten. Ich glaube, Seb hat nie in den Spiegel gesehen oder auch nur geahnt, wie vollkommen er war. Aber selbst im Tod war er schön. Die Hände, die auf der Brust gefaltet waren, die leicht nach unten gezogenen Mundwinkel, als wollte er sagen: Ich wusste, dass ihr mich am Ende enttäuscht. Ich wusste, dass ihr es nicht versteht.
    Ich sage Jez, ich müsste eine Statue von ihm machen. Er starrt mich lange an. Zieht noch mal an seinem Joint.
    »Sie wollen eine Skulptur von mir?« Er klingt etwas erschrocken. Selbst nach dem Gras. Ich möchte, dass er ruhig bleibt.
    »Ja. Das ist alles, Jez. Mehr will ich nicht. Dich so einfangen, wie du jetzt bist.«
    Er hat natürlich gesehen, wie fasziniert ich von ihm bin. Von seinen Armen, von seinem Adamsapfel, der in seiner honigglatten Kehle auf und ab gleitet. Ich habe versucht, meine Bewunderung zu verbergen. Aber ein- oder zweimal hat er in den letzten Tagen geblinzelt und aufgeblickt oder den Kopf gedreht, wenn ich dachte, er sei abgelenkt. Er hat meinen Blick bemerkt, und auch wenn ich mich schnell abgewendet habe, hat er gesehen, wie hingerissen ich bin. Ich glaube, zum Teil genießt er das mittlerweile. Wahrscheinlich weiß er, welche Macht er über mich hat. Diese neu entdeckte Eitelkeit ist für mein Vorhaben nützlich. Sie bedeutet, dass er mitspielt. Doch sie verdirbt auch genau das, was ich von ihm festhalten will. Dass er sich seiner eigenen Schönheit und Jugend nicht bewusst ist. Es ist so frustrierend, dass ich fast verzweifle. Indem ich bekomme, was ich will, zerstöre ich es.
    »Es tut nicht weh«, beruhige ich ihn. »Das ist ganz sanft. Mit diesem Zeug machen schwangere Frauen Abdrücke von ihren Bäuchen.«
    »Warum machen die so was?«
    »Sie wollen sich daran erinnern, wie sie einmal waren.«
    Er starrt mich mit aufgerissenen Augen an. Meine Worte bewirken genau das Gegenteil von dem, was ich beabsichtigt hatte. Er bekommt wieder Angst.
    »Tot können Sie mit mir nichts anfangen. Das wissen Sie doch, oder?«
    »Jez! Bitte! Versuch doch, mir zu vertrauen. Das ist das Letzte, worum ich dich bitte.«
    »Das Letzte? Was soll das heißen?«
    »Das Letzte, bevor du dich veränderst.«
    In mir klafft ein weiter Abgrund aus Traurigkeit auf.
    Er ist immer noch so schwach. Seine Krankheit hat ihn erschöpft und ausgelaugt. Er kann sich kaum wehren, als ich ihm die Jeans und das T-Shirt abstreife. Alles.
    »Mir ist kalt.«
    »Ich habe den Holzofen angemacht. Und wenn ich erst mal anfange, wird dir warm.«
    Minutenlang kann ich mich nicht rühren, der Anblick seines Körpers auf dem weißen Laken fesselt mich.
    Dann trage ich die Vaseline auf, zuerst auf und zwischen den Zehen. Sie krümmen sich dabei, ein zarter Fußknochen unter der karamellbraunen Haut zuckt. Ich hebe jeden Fuß einzeln hoch und halte ihn dicht an meinem Körper, während ich ihn eincreme, und als mein warmer Atem seine Fußsohle streift, spannen sich seine Wadenmuskeln, und ein Lächeln huscht über seine Lippen. Er ist wie Lackmuspapier, er reagiert sofort. Ich umwickle seine Füße einzeln mit Bandagen und arbeite mich nacheinander die Beine hinauf. Ich tauche die Hände in das warme Wasser, um sie anzufeuchten, bevor ich die Binden glattstreiche und andrücke, dann umfasse ich seine Füße, bis sie ganz umhüllt sind. Der warme Gips muss vorsichtig durch das Gewebe gedrückt und geglättet werden, bis es ihn wie eine dünne, aber undurchsichtige zweite Hautschicht umgibt.
    Mir fallen die Spinnenhüllen ein, die in der Garage in den Netzen hingen. Alle Einzelheiten ihrer Körper bleiben als perfekte Nachbildung erhalten, nachdem die Spinnen davonspaziert sind, wie eine Momentaufnahme. Ich erreiche die Stelle, wo sich sein Becken nach innen wölbt und die Muskeln ansetzen, und als ich die Binden auflege, überläuft ihn ein Schauer. Ohne
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