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Ian Yery & der Hardcore Absolute Beginner

Ian Yery & der Hardcore Absolute Beginner

Titel: Ian Yery & der Hardcore Absolute Beginner
Autoren: Kooky Rooster
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dieses Projekt gesetzt und mit dem virtuellen Doppelgänger des Kletterers ein wahres Meisterwerk erschaffen. So perfekt war ihm bislang noch kein Modell gelungen. Sogar das Haar und der Dreitagebart – die schwierigste Herausforderung in der 3D-Kunst – war ihm atemberaubend realistisch gelungen. Manche seiner Kontrahenten argwöhnten sogar, er habe doch bloß seinen Freund abfotografiert. Eine Unterstellung, die Nils schmerzte, wünschte er sich doch nichts so sehr, wie einen Freund – und wenn dieser auch noch der Kletterer wäre … Reines Wunschdenken, das niemals Wirklichkeit werden würde. Er bewies mit Screenshots, Mesh- und Wireframeansichten, dass es tatsächlich ein 3D-Modell war.
    Er wurde trotzdem von dem Wettbewerb ausgeschlossen, da er einen Mann und nicht, wie gefordert, eine Frau modelliert hatte, und das, obwohl Nils der Jury erklärt hatte, dass er als schwuler Mann eben lieber einen Traummann bastele, da es für ihn keine Traumfrau gäbe. Einige User spöttelten darüber, dass er
'zickig'
sei, doch für die Arbeit zollte man ihm Respekt und sprach ihm höchste Anerkennung aus. Dennoch: Regeln bleiben eben Regeln.
    Allerdings wurde das Subunternehmen einer Computerspielefirma auf ihn aufmerksam, da sich einer der Mitarbeiter ebenfalls in dieser Community bewegte. Nils, so meinte man, habe mit seinem
'Traummann'
(sie setzten das stets in Anführungszeichen) den perfekten Charakter für ein geplantes Videospiel erschaffen, und man wäre an einer Zusammenarbeit für dieses Projekt interessiert. Zwar gäbe es dafür nicht viel Geld, aber Anerkennung – und von dieser war Nils mit seinem schwachen Selbstvertrauen mehr als abhängig. Dass eines seiner selbstgeschaffenen Modelle in einem weltberühmten Computerspiel den Hauptcharakter stellen sollte, sprengte seine Vorstellungskraft. Das passte so gar nicht in sein Weltbild, in dem nicht nur er selbst unbedeutend war, sondern auch alles was er erschuf. Man stellte ihm in Aussicht, ihn danach auch für weitere Projekte zu engagieren, und da Nils davon träumte, eines Tages von der popeligen Agentur, in der er arbeitete, wegzukommen, um sich ausschließlich seiner Leidenschaft, der 3D-Kunst, zu widmen, schlug er ein. Irgendwann fest für eine der großen Spielefirmen oder gar für Hollywood zu arbeiten, das wäre doch was!
    Nils war in jeder Hinsicht ein Träumer. Er träumte von Männern, ohne welche zu haben, und von einer Karriere, ohne eine zu haben.
    Seit das Projekt vor über einem halben Jahr erfolgreich abgeschlossen worden war, hatte er nichts mehr von dem Unternehmen oder einem der Partner gehört. Umso überraschter war er, dass er nun dreiundfünfzig E-Mails erhalten hatte – kein Spam. Er kannte sämtliche Namen aus der Zusammenarbeit für dieses Spiel. Manche dieser Kollegen hatten gleich mehrere E-Mails geschickt, doch hauptsächlich handelte es sich um Weiterleitungen und deren Kopien. Immer wieder tauchte der Vermerk und die Aufforderung auf,
'die unangenehme Angelegenheit'
zu klären.
    Nils brauchte eine ganze Weile, bis er begriff, worum es überhaupt ging. Offenbar hatte sich jemand an etliche Designer gewandt, die an diesem Computerspiel beteiligt waren, und sich heftig über Ian Yery, den Protagonisten des Spiels, beschwert. Die E-Mail, die allen Nachrichten zugrunde lag, war in äußerst schlechtem Englisch verfasst. Das war definitiv kein Native Speaker und durch die verworrene Grammatik und Vokabelwahl begriff Nils nicht sofort, worauf der Verfasser eigentlich hinauswollte. Erst der Hinweis eines Kollegen, Nils habe sich hier rechtlich
'ganz schön in die Nesseln gesetzt'
, wenn es denn wahr wäre, dass er ein fremdes Werk als das Eigene ausgegeben hätte, begann er zu begreifen. Der Beschwerdeführer dieser E-Mail behauptete doch glatt,
er
habe in Wahrheit Ian Yery kreiert!
    Was für eine unerhörte Frechheit!
    Andererseits – war das nicht auch ein großes Kompliment? Nils hatte schon öfter von solchen Plagiats-Klagen gelesen – und immer waren davon sehr erfolgreiche Ideen betroffen, Bücher, Musik, nützliche Erfindungen … Niemand wollte der eigentliche Urheber einer unbedeutenden oder gar schlechten Arbeit sein. Obwohl die Unterstellung mehr als unverschämt war, fühlte sich Nils geschmeichelt.
    Anhand der Domain der E-Mail-Adresse erkannte Nils, dass sie lustigerweise aus derselben Stadt abgesendet worden war, in der er auch lebte, also verzichtete er darauf, die Antwort in Englisch zu formulieren. Er entschied,
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