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Hymne an Die Nacht

Hymne an Die Nacht

Titel: Hymne an Die Nacht
Autoren: Sylvia Madsack
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ruhigen Ton, dem für gewöhnlich ein gewitterartiger Wutausbruch folgte.
    »Hab ich.« Maria räusperte sich und sah zu Boden.
    »Und?«
    »Zuerst hat er nur gelacht …«
    »Er hat gelacht?« Auf Radu Nicolescus Stirn trat eine Ader hervor.
    »Danach hat er gesagt, wir könnten alle froh sein, dass er überhaupt in diesem Film mitwirke, denn ohne ihn als Star würde sich kein Mensch mehr für einen solchen Stoff interessieren. Vampirfilme seien ja eigentlich so was von out!«
    »Weiter!«, flüsterte Nicolescu.
    »Dann hat er mir ein Glas Champagner aufdrängen wollen, mir an den Busen gefasst und versucht mich zu küssen.«
    »Und dann?«
    »Es gab ein kleines Handgemenge, und dabei ging das Glas zu Bruch. Ich hab ihm in die Eier getreten, nur ganz leicht natürlich, wir brauchen ihn ja noch.«
    Nicolescu grinste. »Sehr tapfer, Maria. Und wie endete diese denkwürdige Szene?«
    »Er hat mich wüst beschimpft, rumgeschrien, das würde ich noch bereuen, er werde für meine Entlassung sorgen und so weiter. Ach ja, als ich schon in der Tür stand, sagte er noch, ohne das Geld, das er selbst in diese Produktion gesteckt habe, hättest du den Film nie machen können.«
    Der Regisseur nickte nachdenklich. Ihm war klar gewesen, welches Risiko er eingegangen war, als er Vadims Angebot akzeptiert hatte, sich an den Kosten zu beteiligen, und seit Beginn der Dreharbeiten waren all seine Befürchtungen wahr geworden. Sein Star hatte sich als genauso launisch und unzuverlässig gezeigt, wie es zu erwarten gewesen war. Außerdem hatte er mehrmals versucht, sich in die Regiearbeit einzumischen, obwohl Radu von Anfang an klargestellt hatte, dass er das niemals akzeptieren würde. Knurrend war Vadim schließlich bereit gewesen, einer entsprechenden vertraglichen Klausel zuzustimmen, mit dem Ergebnis, dass er sich wiederholt nicht daran gehalten hatte.
    Vadims Vater hatte zu jener Politikerkaste gehört, die nach dem Sturz Ceaus¸escus immer wieder in Korruptionsskandale verwickelt gewesen war, in Machenschaften, die ihn reich gemacht hatten, sehr reich sogar. Nach dem Tod des Vaters hatte Vadim als einziger Sohn ein umfangreiches Erbe angetreten, zu dem ein großer Immobilienbesitz gehörte. Das war etwa zehn Jahre her. Inzwischen war Vadim Ende dreißig und ein im ganzen Land bekannter Schauspieler. Einer wie er hätte nicht arbeiten müssen, und wenn er im Fernsehen oder in Zeitungsinterviews gefragt wurde, wie es dazu gekommen sei, erwiderte er stets, es habe auf purem Zufall beruht, man habe ihn »entdeckt«.
    Das mochte richtig oder falsch sein, aber es war eine Geschichte, über die sich Radu Nicolescu momentan keine Gedanken machen wollte. Als erfahrener Regisseur hatte er anfangs gehofft, seinen kapriziösen Hauptdarsteller zähmen zu können. Weit gefehlt, wie er jetzt wusste. Außerdem schien sich Vadim in letzter Zeit verändert zu haben, all seine problematischen Wesenszüge traten verschärft hervor und machten die Zusammenarbeit mit ihm zu einer strapaziösen Geduldsprobe.
    Seine jüngste Gespielin hatte sich vor kurzem von ihm getrennt und manch bizarre Details über die Beziehung in der Presse ausgebreitet, außerdem munkelte man schon länger über den Kokainkonsum des Schauspielers.
    Trotz alldem liebte ihn das Publikum und hielt ihm die Treue. Denn Vadim war brillant. Kein anderer besaß diese Ausstrahlung, keiner außer ihm wusste die Zuschauer so für sich einzunehmen. Er war ein Menschenfänger, ein geborener Verführer. Sobald eine Kamera auf ihn gerichtet war, erwachte er zu einer Persönlichkeit, deren Leuchtkraft sich kaum jemand entziehen konnte, und auch in seinem persönlichen Umfeld gab es viele, die ihn verehrten und alles für ihn tun würden.
    Nicolescu seufzte. Er saß in der Falle. Wenn er das Projekt platzen ließe, würde er zumindest in Rumänien alle gegen sich haben, einschließlich seines pubertierenden Sohnes, der Vadim glühend bewunderte. Ausgerechnet.
    Der Regisseur wusste, dass er zu einer aussterbenden Gattung gehörte. Er bevorzugte klassische Sujets, in denen es um die alten Menschheitsthemen ging, um Liebe, Tod und Verrat etwa, und er hatte eine besondere Vorliebe für historische Stoffe, die er jedesmal akribisch recherchierte, bevor er sich an ein Drehbuch machte.
    Die aufstrebenden jungen Kollegen hingegen versuchten, das moderne Rumänien mit all seinen Schattenseiten abzubilden, zum Verdruss des überwiegend anders gestimmten Publikums, das von diesen Schattenseiten mehr als
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