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Hymne an Die Nacht

Hymne an Die Nacht

Titel: Hymne an Die Nacht
Autoren: Sylvia Madsack
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hatte.
    Ein Gast kam sichtlich angetrunken die Treppe des »Dark Side« herunter, er trug karierte Golferhosen und ein kurzes Sporthemd. Hinter ihm erschienen weitere Gäste in ähnlicher Aufmachung, alle in sehr angeregter Stimmung.
    Mit wenigen Schritten war Kyrill bei ihnen. »Wer hat Sie denn hier reingelassen?«, polterte er. »Gehen Sie in Ihren Golfclub zurück oder ziehen Sie sich erst mal etwas Passendes an, dann können Sie es vielleicht noch mal versuchen!«
    Das Gesicht des Angetrunkenen wechselte die Farbe. Sehr bleich und plötzlich sehr ruhig stellte er sich ganz dicht vor Kyrill hin, der verblüfft zurückzuckte. Leise und nur für die unmittelbar Umstehenden hörbar sagte er ein paar Worte auf Russisch zu ihm und wandte sich zum Ausgang, gefolgt von seinen Leuten.
    Die Gäste an den Tischen und an der Bar starrten Kyrill an. Während er die Blicke auf sich gerichtet sah, trat sein Geschäftsführer auf ihn zu.
    »Wissen Sie eigentlich, wen Sie da gerade vor die Tür gesetzt haben, Señor Koslov?«
    »Keine Ahnung«, sagte sein Arbeitgeber verdrossen.
    Der Geschäftsführer nannte einen Namen, bei dem jeder andere sofort sehr nervös geworden wäre, doch Kyrill machte nur eine wegwerfende Handbewegung und ließ ihn stehen.
    Er wandte sich ab, um in sein Büro hinaufzugehen, als er am Ende der Bar einen Gast bemerkte, der ihm bis dahin nicht aufgefallen war. Er erkannte ihn sofort als einen von seiner Art. Sein Alter schwer zu schätzen, er war noch blasser als Kyrill und mit so ausgeprägten Wangenknochen, dass sein ohnehin eingefallenes Gesicht an einen Totenschädel erinnerte. Kyrill hatte solche asketisch wirkenden Typen nie leiden können, und dieser schien ein Vampir der besonders unangenehmen Art zu sein. Er strahlte jene arrogante Selbstherrlichkeit aus, auf die jemand wie Kyrill sehr unfreundlich zu reagieren pflegte.
    Dennoch war seine Neugier geweckt, und so näherte er sich dem Fremden, der ihm mit regloser Miene entgegensah.
    »Darf ich Ihnen einen Moment Gesellschaft leisten?«, fragte er mit erzwungener Höflichkeit.
    Der Totenkopfmann, dessen überschlanke Gestalt in einem eleganten, dunkelgrauen Anzug steckte, schlug die Beine übereinander. »Bitte«, erwiderte er mit kaum verhohlener Ironie, »Sie sind ja hier der Hausherr.« Dabei verzog er spöttisch den schmalen Mund.
    »Sie sind zum ersten Mal hier?«, tastete Kyrill sich vor.
    »Ja, man hat mir Ihren Club besonders empfohlen, und da ich in Marbella ein paar Tage zu tun habe, wollte ich ihn mir mal ansehen.«
    Kyrill wartete vergeblich auf ein Kompliment für die Gestaltung der Räume, auf die er so stolz war. Stattdessen beugte er sich vor und fragte: »Soll ich uns eine Erfrischung bringen lassen?«
    In den erloschen wirkenden Zügen des Mannes blitzte etwas auf. »Gute Idee, ich könnte eine Stärkung vertragen.«
    Kyrill zog sein Mobiltelefon hervor, drückte auf eine Tas- te und sagte leise etwas auf Russisch. »Mein persönlicher Assistent wird uns das Gewünschte gleich servieren.«
    Die beiden Männer schwiegen, bis ein bleicher junger Mann mit einem Tablett erschien, es diskret auf dem Tresen abstellte und mit einer Verbeugung wieder verschwand. Aus einer goldverzierten Karaffe schenkte Kyrill eine hellrote Flüssigkeit in zwei Pokale ein, auch sie funkelten golden im Widerschein der im ganzen Raum verteilten Windlichter.
    »Ich heiße Kyrill, und mit wem habe ich das Vergnügen?«
    Sie prosteten einander zu. »Mein Name ist Sergio, ich bin Italiener.« Mehr sagte er nicht. Nachdem er getrunken hatte, erschien ein anerkennendes Lächeln in dem hochmütigen Gesicht. »Sehr gute Qualität!«
    Kyrill nickte zufrieden. »Wenn Sie aus Italien kommen, kennen Sie sich in der Szene hier wohl nicht so aus, vermute ich.«
    Der Vampir, der sich als Sergio vorgestellt hatte, lächelte dünn. »Man hört trotzdem so einiges über die Geschehnisse hier, das Netzwerk funktioniert.«
    Kyrill zuckte zusammen. Womöglich wusste dieser Sergio auch etwas über die Demütigung, die er durch Stanislaw und vor allem durch Joanna erlitten hatte.
    Doch bevor er reagieren konnte, fuhr der Fremde fort: »Ich kenne Stanislaw von früher, unsere Wege haben sich mal in Venedig gekreuzt. Leonora war damals auch in der Stadt, aber das ist lange her, sehr lange.«
    Das wurde ja immer spannender, fand Kyrill und schenkte aus der Karaffe nach. »Leonora hat ein zu ausgedehntes Sonnenbad genommen«, murmelte er, »aber das wissen Sie
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