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Hybrid

Titel: Hybrid
Autoren: Andreas Wilhelm
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und dem Wald. Der Boden war hier lehmig und festgetreten. Ringsherum standen weitere Hütten, alle auf kurzen Stelzen, ebenso wie Toms eigene Hütte. Unten stand das kleine Mädchen. Es winkte Tom eifrig zu, dass er ihr folgen solle. Vier hölzerne Stufen führten von der Hütte herab. Tom stieg langsam nach unten und ging zu der Kleinen, die sogleich seine Hand ergriff und ihn mit sich führte.
    Während Tom im Schlepptau des Mädchens durch das Dorf lief, kamen überall Menschen aus ihren Hütten. Sie riefen ihm Dinge zu und lachten, sie freuten sich, ihn zu sehen. Und dennoch kamen sie nicht auf die Straße, sondern blieben zurück und verschwanden wieder, als seien sie noch mit etwas beschäftigt.
    Das Mädchen führte Tom zum Rand des Dorfs, wo er Juli auf einem Baumstumpf vor einer Hütte sitzen sah. Sie war im Gespräch mit einer alten Frau. Als sie bemerkte, dass etwas vor sich ging, drehte sie sich um, erkannte Tom, sprang auf und lief auf ihn zu. Sie nahm ihn in die Arme und drückte ihn, so fest sie konnte.
    Tom genoss die Berührung, wenngleich sie ihn spüren ließ, wie viele Prellungen und blaue Flecken sich noch überall an seinem Körper verbargen.
    »Schön, dass du da bist!«, sagte Juli schließlich. »Geht es dir gut? Hast du Hunger? Möchtest du etwas trinken?«
    Tom lächelte. »Na ja, ich muss mich noch etwas vorsichtig bewegen. Und allzu tief Luft holen kann ich auch nicht. Aber es geht.« Dann zeigte er hinter sich. »Aber was ist mit den ganzen Menschen los? Verstecken sie sich?«
    »Nein«, erklärte Juli. »Sie bereiten sich noch vor. Jetzt, wo du auf den Beinen bist, kann endlich das Fest stattfinden. Alle sind ganz aufgeregt.« Sie ergriff seine Hand. »Und ich auch … Ist das nicht fantastisch, was wir geschafft haben?«
    »Ja, das ist es wohl … Aber wo ist Marie?«
    »Sie schläft noch. Aber zum Essen nachher sollen wir sie unbedingt wecken.«
    »Ist sie … Ich meine, fehlt ihr auch nichts? Sie muss Furchtbares erlebt haben.«
    »Sie hat Mangelerscheinungen. Es wird noch Wochen dauern, bis sie wieder ganz bei Kräften ist.« Juli blickte zu Boden. »Aber was sie erlebt hat, wird sie ihr Leben lang verfolgen. Sie ist schweigsamer als früher, als hätte sie einen Teil von sich verloren …« Dann atmete sie tief ein und straffte ihre Schultern. »Aber sie ist eine starke Frau. Und vielleicht wird sie eines Tages fast wieder die Alte.«
    Tom strich Juli über die Wange. »Ich wünschte, wir hätten noch mehr für sie tun können.«
    »Wir haben sie gerettet. Gegen alle Wahrscheinlichkeit. Das war schon mehr, als wir hoffen konnten.«
    Tom nickte. »Ja, vielleicht. Aber das Eigentliche steht noch bevor.«
    »Und das wäre was?«
    »Diese Verbrecher nicht nur ausräuchern. Die werden sich einfach ein neues Labor bauen. Aber wir bringen es an die Öffentlichkeit, wie wir es geplant hatten. Es wird die größte Aufdeckungsaktion des Jahrzehnts. Wir vernichten diesen Konzern und diese gottverdammten Wissenschaftler, die ihn führen.«
    »Aber …« Juli zögerte, es auszusprechen. »Aber wie willst du das anstellen? Die sind längst über alle Berge. Was das Feuer an Beweisen nicht vernichtet hat, werden sie inzwischen selbst vernichtet haben. Wir haben nichts in der Hand! Nicht einmal Fotos. Deine Kamera, alles ist futsch.«
    Tom lächelte. »Ist es nicht.«
    Er steckte seine Hand in die Hosentasche und holte die kleine Speicherkarte hervor.
    Juli verschlug es die Sprache. »Aber … wie …«
    »Nach dem Kopieren der Daten hatte ich sie nicht mehr zurück in die Kamera gesteckt. Es ist alles drauf. Fotos, Dokumente, Adressen, E-Mails … genug, um in dem Laden eine Supernova zu zünden.«
    »Ha!« Juli lachte laut auf. »Das gibt’s nicht! Mein Gott, Tom!« Sie warf ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn.
    Sie verbrachten drei weitere Tage in dem Dorf. Toms Heilung machte weitere Fortschritte, und seine Kurzatmigkeit der ersten Zeit verging rasch.
    Die Hälfte der Dorfbewohner war missgestaltet oder krank, aber sie bewirteten und pflegten Tom, Juli und Marie, als wären sie die wichtigsten Menschen der ganzen Gemeinschaft.
    Tom verbrachte viel Zeit mit den Kindern. Juli beobachtete, wie er mit ihnen spielte. Die meisten waren noch sehr schwach, aber er ging mit ihnen zum Schwimmen an den Fluss. Sie tollten umher, und es schien allen gutzutun, auf diese Weise die Schrecken der Vergangenheit und die schlimmen Entstellungen zu vergessen. Oft saß Marie in einiger Entfernung im Schatten
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