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Hurra wir kapitulieren!

Hurra wir kapitulieren!

Titel: Hurra wir kapitulieren!
Autoren: Henryk M. Broder
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Ungläubigen« schrien. Wenn das nicht eine auf die Spitze getriebene Form der Arroganz war. In Afghanistan dagegen äußert sich der Respekt vor anderen Kulturen unter anderem darin, dass ein zum Christentum konvertierter Moslem nur dann der Todesstrafe entkommt, wenn er sich selbst für verrückt erklären lässt.
    Woher kommt die Entschlossenheit, Tatsachen zu leugnen oder sie so zurechtzubiegen, dass sie den Blick auf die Wirklichkeit versperren? Aus Angst. Angst mag ein schlechter Ratgeber sein, aber als Mittel der Massenerziehung gibt es nichts Besseres. »Bestrafe einen, erziehe hundert«, hat schon Mao gesagt und mit Hilfe dieser Regel seine Macht konstituiert.
    Es ist nicht der Respekt vor anderen Kulturen, der das Verhalten der Menschen bestimmt, sondern das Wissen um die Rücksichtslosigkeit der Fanatiker, mit denen man es zu tun hat. Je wilder und brutaler sie auftreten, umso eher verschaffen sie sich Gehör und Respekt. Ob es sich dabei um eine Gang aus dem Nachbarviertel handelt oder um eine fremde Kultur, spielt dabei keine Rolle, man geht dem Ärger lieber aus dem Weg.
    Nach den Angriffen der Islamisten auf dänische Einrichtungen hielten es deutsche Karnevalisten für angebracht, auf islamkritische Motive im Jahre 2006 zu verzichten. Der Düsseldorfer Wagenbauer Jacques Tilly, der sich in den vergangenen Jahren nicht scheute, christliche Kirchen und deren Würdenträger zu verspotten, riet gegenüber Moslems zur Zurückhaltung: »Es hat keinen Sinn, blinde Wut zu erzeugen!« Der Präsident des Comitees Düsseldorfer Carnevals gab ungeniert zu, man wolle wegen der nicht absehbaren Folgen auf provokante Darstellungen des Islam verzichten. Andere Karnevalisten, die nicht namentlich genannt werden wollten, erklärten: »Man will doch nicht so enden wie dieser Filmemacher in Holland!«
    Keine Bedenken hatten die rheinischen Frohnaturen noch ein Jahr zuvor, den Kölner Kardinal Meisner als einen Inquisitor zu zeigen, der einen Scheiterhaufen anzündet, auf dem eine Frau festgebunden ist, die abgetrieben hat.
    Wie geschmackvoll oder geschmacklos diese Darstellung auch war, die Jecken konnten sicher sein, dass der Kardinal ihnen nicht nach dem Leben trachten würde. Großen Gratismut bewiesen auch die Mainzer Spaßmacher mit einem Wagen, auf dem Angela Merkel zu sehen war, die mit Hilfe einer Leiter Uncle Sam beziehungsweise George Bush anal penetriert. 2006 wurden andere Prioritäten gesetzt.
    Mitte Februar berichtete die »Mainzer Allgemeine Zeitung« von einem Vorfall in der Mainzer »Römerpassage«, wo ein Aktivist des Mainzer Carneval Clubs seinen »Kokolores« unter das närrische Volk streute. Dabei fiel auch der Satz: »Wenn Muslime zu Allah die Hände hoch falte / doch im Sinne des Glaubens uns für Dumme nur halte...« Ein »zufällig vorbeikommender Muslim« griff daraufhin nach dem Mikrofon und wetterte »lautstark gegen den angeblich ehrverletzenden und die Religion beleidigenden Vortrag«.
    Nach diesem Vorfall waren die MCC-Leute so »besorgt«, dass sie umgehend einen dicken Schaumteppich ausrollten und Erklärungen abgaben. Es gehöre zur Tradition der Mainzer Fastnacht, dass »Toleranz gegenüber Andersdenkenden groß geschrieben« werde; man habe den Islam nicht beleidigen wollen, es sei bedauerlich, dass der närrische Vortrag »aus dem Zusammenhang gerissen worden« sei. Der Manager der »Römerpassage« betonte, man habe »besonnen« auf den Vorfall reagiert und bot sich an, »vor einer größeren Gruppe friedliebender Muslime die Inhalte der Mainzer Fastnacht zu erklären«. Und in Karnevalistenkreisen wurde darüber diskutiert, »wie weit Satire gehen darf« und »ob religiöse Gefühle der Menschen schützenswerter sind« als die Meinungsfreiheit.
    In Mainz hatten sich die militant friedliebenden Muslime durchgesetzt, ohne eine einzige Fahne verbrannt zu haben. Die Gewissheit, sie wären dazu bereit und imstande, reichte bereits. In Köln, wo auf der alternativen »Stunksitzung« ein Selbstmordattentäter persifliert wurde, war der stellvertretende Bürgermeister der Stadt über den Sketch tief besorgt - damit rücke man den Dschihad und die Hamas in ein schlechtes Licht.
    Auch eine junge Schweizerin, die an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert, beugte sich der Androhung von Gewalt. Ihre Skulptur mit dem Namen »Aggression« bestand aus einer Miniatur-Moschee, deren Minarette wie Raketen aussahen. Nachdem sie mehrere Drohanrufe erhalten hatte, zog sie die Skulptur aus der
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