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Hurra wir kapitulieren!

Hurra wir kapitulieren!

Titel: Hurra wir kapitulieren!
Autoren: Henryk M. Broder
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zuweilen einen seltsamen Humor, der sie dieses Mal aber teuer zu stehen kommen könnte, wenn das kleine Königreich nach der kulturellen Großtat blasphemischer Mohammed-Bilder zum >Schurkenstaat< für über eine Milliarde Muslime mutiert.«
    Der »Vorwärts« der SPD, der im Laufe seiner Geschichte öfter als jede andere deutsche Zeitung verfolgt und verboten wurde, stellte in fröhlicher Umkehr von Ursache und Wirkung fest, »bei der seltsamen Fehde, die die rechtspopulistische Zeitschrift Jyllands-Posten mit ihren fahrlässigen Mohammed-Karikaturen losgetreten hat«, gehe es um mehr als nur die Pressefreiheit: »Selbstverständlich hat Jyllands-Posten ... das Recht auf freie Meinungsäußerung. Man muss aber unterscheiden zwischen einem Recht und dem moralischen Gebrauch dieses Rechts. Jyllands-Posten missbraucht die Pressefreiheit, nicht im rechtlichen, aber im politisch-moralischen Sinne.«
    Die Diskussion darüber, welche blasphemischen Provokationen wir unterlassen sollten, damit sie sich nicht gekränkt fühlen, führt zwangsläufig in das Reich des Absurden. Dürfen fromme Juden von Nicht-Juden den Verzicht auf Schweinefleisch verlangen? Und mit Sanktionen drohen, wenn ihre Forderung nicht erfüllt wird? Darf ein Hindu Amok laufen, weil die Schweizer die Heiligkeit und Unantastbarkeit der Kuh nicht anerkennen? Wer Moslems das Recht einräumt, sich darüber zu empören, dass die Dänen sich nicht an ein islamisches Verbot halten, von dem nicht einmal feststeht, dass es tatsächlich existiert, muss solche Fragen mit einem klaren Ja beantworten. Und schließlich auch Analphabeten erlauben, Buchhandlungen zu verwüsten, denn in einer Welt, in der sich jeder gekränkt und gedemütigt fühlen darf, darfauch jeder entscheiden, welche Provokation er nicht hinnehmen mag.
    »Keine Zeitung braucht sich dafür zu entschuldigen, dass sie das islamische Bilderverbot nicht beachtet, auch nicht in Bezug auf Mohammed, so wenig sich jemand von uns dafür zu entschuldigen hat, dass er Schweinefleisch gegessen hat, obwohl das für Muslime und Juden ein Gräuel ist. Weil wir keine Muslime sind, gelten spezifisch islamische Verbote für uns nicht«, schreibt der Theologe Richard Schröder, um diese klare Aussage gleich wieder zu relativieren: »Doch ohne Not eine Religionsgemeinschaft zu beleidigen, ihre religiösen Gefühle zu verletzen, ist moralisch nicht zu rechtfertigen. >Ohne Not< ist dabei entscheidend...« Eine »Provokation um der Provokation willen« sei moralisch nicht zu rechtfertigen. »Allein dafür, für die Provokation ohne Not, für einen Freiheitsgebrauch ohne Umsicht, sollte sich jene Zeitung entschuldigen.« Bei wem? Bei ihren dänischen Lesern, die an den Karikaturen keinen Anstoß genommen haben, oder bei den Moslems in aller Welt, die an etwas Anstoß nahmen, das sie nicht gesehen hatten?
    Der Karlsruher Philosoph Peter Sloterdijk, der schon den ii. September »zu den schwer wahrnehmbaren Kleinzwischenfällen« der Geschichte kleingeredet hatte, rückte auch den Karikaturenstreit in die richtige Perspektive: »Was auf der Langzeitagenda steht, ist die Europäisierung des Islam, nicht die Islamisierung Europas.« Das ist das Tröstliche an philosophischen »Langzeitagendas«: Sie funktionieren wie die Voraussagen der Klimaforscher, man kann es sich aussuchen, ob man in 1 ooo Jahren eine neue Eiszeit erleben oder unter Palmen am Nordpol sonnenbaden möchte. Kurzfristig dagegen muss man die »Arroganz« bekämpfen, die sich »in den reichen und entwickelten Ländern entwickelt (hat), die keinen Respekt mehr vor anderen Kulturen kennt«, sagt Kardinal Renato Martino, Leiter des päpstlichen Rates »Justitia et Pax«.
    Das ist eine überraschende Einsicht, vor allem wenn sie von einem leitenden Mitarbeiter des Vatikans geäußert wird. Ein Beleg für die Arroganz, die keinen Respekt vor anderen Kulturen kennt, sind die rund 2000 Moscheen, die es allein in der Bundesrepublik gibt, während in Saudi-Arabien schon der Besitz einer Bibel ein unkalkulierbares Risiko bedeutet. Weitere Belege der Arroganz sind der »Karneval der Kulturen« in Berlin, die schwullesbischen Straßenfeste in den europäischen Metropolen und das »Wort zum Sonntag« im Programm der ARD vom ii . 2 . 2006 , gesprochen von Burkhard Müller. »Der Islam ist eine großartige Religion«, sagte der Gottesmann nur wenige Minuten, nachdem in den »Tagesthemen« brennende Fahnen, verwüstete Botschaften und Gotteskrieger zu sehen waren, die »Tod den
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