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Hundsmiserabel

Hundsmiserabel

Titel: Hundsmiserabel
Autoren: Steffi von Wolff
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gestellt. Und Gläser. Mein Vater war schweißnass im Gesicht. »Jetzt kannst du öffnen«, meinte er. »Sag, dass wir die Klingel nicht gehört haben.«
    »Und die Kinder?«
    »Sind noch mit Oma draußen … auf einer Nachtwanderung oder so.«
    Ich gehorchte.
    Eine Viertelstunde später war das ganze Wohnzimmer voll mit Erwachsenen. Mein Vater rief unentwegt: »Hahaha, Franz, auf einem Bein kann man doch nicht stehen!«Und: »Komm, Gabi, der Tag ist noch jung!« Meine Mutter füllte derweil Tims Vater ständig Himbeergeist in sein Bierglas oder schenkte Gabi aus der Weinflasche nach.
    Eine Stunde später sangen die Väter und Mütter – inklusive meiner eigenen – enthemmt zu Liedern von Alexandra und brachen bei
Mein Freund der Baum ist tot
von Emotionen gebeutelt beinahe zusammen. Alle hatten Gläser in der Hand – manche auch direkt die ganze Flasche – und prosteten sich ununterbrochen zu.
    Eine weitere Stunde später wurden mittels Taxi weitere alkoholische Getränke angeliefert, weil in unserer Hausbar nichts mehr zu finden war. Man tanzte inzwischen ausgelassen zu Frank Zappas
Bobby Brown
. Es hat mich ein wenig gewundert, dass alle den Text
auswendig
konnten. Tims Eltern sangen am lautesten mit. Jede Zeile konnten die. Von wegen Marianne Rosenberg!
    Gegen drei Uhr morgens wurde es still in unserer Wohnung. Die Mütter und Väter lagen verstreut im Wohnzimmer, so wie einige Stunden vorher ihre Kinder, und schliefen ihren Rausch aus.
    Meine Mutter lag schon neben Oma. Da auch mein Bett bereits belegt und das Wohnzimmer bis auf den letzten Zentimeter gefüllt war, blieb meinem Vater und mir nur die Küche.
    »Versprich mir, dass du nie wieder einen Kuchen backen wirst«, sagte er leise zu mir.
    »Versprochen.«
    »Gut«, mein Vater goss sich ein letztes Glas Wein ein. »Wir wollen nie wieder,
nie wieder
über diesen Tag reden.«
    Und dann fing er an zu lachen.
    Am nächsten Morgen hatten Charlotte, Oma, die Mütter und Väter und ihre Söhne und Töchter alle einen Kater. Zum Glück kam niemand auf die Idee, die lieben Kleinen nach der Nachtwanderung zu fragen. Die Kopfschmwerzen der Kinder führte man auf die Aufregung wegen der Geburtstagsfeier zurück … und weswegen die Eltern einen Kater hatten, war ihnen selbst klar. Darüber wurde leise lächelnd geschwiegen. Weniger dezent, sondern sehr lautstark wurde von allen Kindern mein genialer Kalter Hund gelobt, was mich immer wieder erröten ließ. Aber diesmal nicht vor Stolz.
    Zum Glück stellte sich später heraus, dass Fridolin Schnuckel doch nicht der Vater meiner Mutter war. Oma hatte sich verrechnet, wollte das aber nicht wahrhaben, weil sie immer davon geträumt hatte, mit Fridolin Schnuckel ein Kind zu bekommen. Sie kam übrigens auf ihre alten Tage noch mit ihm zusammen – auf unser Anraten hin hat sie ihn einfach mal besucht, und da beide verwitwet waren, verbrachten sie anschließend viele Jahre ihres Lebens damit, Kaffeefahrten an die Mosel oder die Donau zu unternehmen, kostenlose Wurstpakete einzukassieren und Unmengen für rückenschonende Matratzen und batteriebetriebene Haartrockner auszugeben.
    Sein Versprechen, nie wieder über die Kalte-Hund-Geschichte zu sprechen, hat mein Vater natürlich nicht eingehalten. Jedes Jahr an Weihnachten wird sie neu aufgetischt und von Jahr zu Jahr wird sie schlimmer. Es ist mittlerweile nicht mehr achtzigprozentiger Strohrum, sondern zweihundertprozentiger, und es war auch nicht
eine
Flasche, sondern
sieben
. Und natürlich gab es Alkoholvergiftungen und Wiederbelebungsmaßnahmen und überhaupt: Nur wegen Vati haben alle überlebt. Ich bin mal eine heimtückische Giftmischerin, mal eine skrupellose Mörderin und im günstigsten Fall eine etwas bescheuerte Totschlägerin. Aber ich sage dazu nichts. Nie. Denn ich habe immer noch ein schlechtes Gewissen. Schließlich ist Charlotte durch mich zur Alkoholikerin geworden. Letztens fragte ich sie nämlich, was sie am liebsten trinkt. »Cola-Rum«, sagte sie und grinste. Ich bin dann einfach gegangen.
     

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    Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf - auch teilweise - nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

    Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München
    Covermotiv: © FinePic®, München
    ISBN13: 978-3-8476-0337-5
    Tag der
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