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Hundsmiserabel

Hundsmiserabel

Titel: Hundsmiserabel
Autoren: Steffi von Wolff
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dreistöckig, versteht sich. Statt des Brautpaares wollte ich aus Knetmasse meine Schwester und ihre ganzen Freunde basteln. Aber unsere Mutter war dagegen – und auch ihre Freundinnen und die Nachbarinnen und die Frau unseres Pfarrers und ihre Schwester sowie Gerda B. aus der Rubrik »Gerda B. hilft Leserinnen« im
Goldenen Blatt
. Die Kinder könnten die Knetmasse ja a) verschlucken, b) nach dem Verschlucken daran ersticken, c) die Knetmasse in die Teppiche einarbeiten oder d) versuchen, mit der Knetmasse die beiden kleinen Löcher in den Steckdosen zu füllen. Auf meine Einwände, ich könnte die Knetmasse doch einfach weglassen oder statt der Knetmasse Zuckerguss verwenden, wurde gar nicht mehr reagiert.
    Ich habe das dann sein lassen mit der Hochzeitstorte. »Mach was Schönes, Staffel«, forderte meine Schwester ungerührt mehrmals täglich weiter ein, wenn wir uns in die Küche zurückzogen, um in Ruhe zu planen. Ich habe sogar eine Schürze getragen. Eine richtige Schürze, weiß natürlich. Ich kam mir wahnsinnig professionell vor, fast so wie die Fernsehköche, die es damals leider noch nicht gab. Sie wissen, was ich meine. Die Sorte, die es schafft, in zwanzig Sekunden folgende Sätze von sich zu geben: »Und während der Saibling im vorgeheizten Backofen unter der Folie bei hundertfünfundsiebzig Grad genau fünfunddreißig Minuten dünstet, machen wir jetzt noch schnell einen Kartoffelsalat aus rohen lilafarbenen Kartoffeln und frischen Frühlingszwiebeln. Wir schneiden die Kartoffeln in Viertel und braten sie in heißem Olivenöl scharf an. Sie können natürlich auch Arganöl nehmen, das wird in Afrika angebaut und hilft den Menschen dort, die Versteppung aufzuhalten. Klar ist das etwas teurer, aber fünfzig Euro für eine Flasche, das sollte man sich schon einmal leisten zwischendurch. Mmhmm, lecker! Dann die Zwiebeln dazu, fein gehackt natürlich, und ein klein wenig Zitronengras. Das ist alles ganz einfach.« Die Frühlingszwiebeln werden selbstverständlich in affenartiger Geschwindigkeit geschnitten, ohne dass ein Zeigefinger dran glauben muss.
    Meine kleine Schwester war nicht leicht zu beeindrucken. Eigentlich schien ihr nichts gut genug, weil die Hochzeitstorte doch kaum zu toppen war. Wir haben viele Gespräche geführt. »Schau mal, meine Kleine, was hältst du von einer ganz, ganz feinen Käsesahnetorte mit Mandarinen drin? Die aus der Dose, die ganz süßen.«
    »Käsesahnetorte schmeckt nach Käsesahnetorte und Mandarinen nach Mandarinen.«
    »Ja, das stimmt.«
    »Du bist so gemein! Ich will doch was Schönes, Staffel!«
    »Oh … Aber guck mal hier. Sieht das nicht klasse aus? Kirschkuchen mit leckeren Butterstreuseln obendrauf. Butterstreusel, süße Butterstreusel.«
    »Kirschen haben Steine.«
    »Ich könnte die Steine aus den Kirschen rausmachen.«
    »Dann sind die Kirschen tot. Ich will nur Kirschen, die leben.«
    Nein, tote Kirschen waren natürlich gar nicht gut. »Dann eben nur Streuselkuchen ohne Kirschen. Nur Streusel.«
    »Das ist dann kein Kuchen.«
    »Aber doch. Es heißt doch Streuselkuchen.«
    »Nein. Das ist kein Kuchen. Das sieht dann aus wie dein Gesicht. Lauter dicke Pickel! Du bist so gemein! Ich will doch was Schönes, Staffel.«
    Ich war nicht gemein, sondern in der Pubertät, was die Hautunreinheit erklärt. Und bevor Sie fragen: Ja, meine Schwester war damals ein grausames kleines Ding. Natürlich habe ich es ihr nie heimgezahlt. Das hat sie selbst erledigt. Ich muss an dieser Stelle vielleicht erwähnen, dass Charlotte sich heute in der glücklichen Lage befindet, selbst Mutter einer Tochter zu sein, die drei Jahre alt ist. Charlotte wird bald mit den Vorbereitungen zu ihrem vierten Geburtstag beginnen. Leider, leider habe ich diesmal keine Zeit zu helfen, weil ich ja dummerweise, dummerweise den Auftrag für diese Geschichte angenommen habe …
    Ich versuchte es weiter. Dass sogar eine Prinzregententorte (»Prinzen sind doof, die wollen alle nur Prinzessinnen heiraten, und ich bin doch keine Prinzessin«), eine Sachertorte (»Die sieht braun aus!«) und eine Donauwelle (»Ich mag nicht schwimmen. Du bist doof!«) abgelehnt wurden, versteht sich von selbst. Eine Stunde später war für ihren Geschmack die Entscheidung gefallen: Charlotte wollte eine Eierlikörtorte.
    »Das geht nicht, da ist ganz viel Alkohol drin, das ist nichts für dich und deine Freunde.«
    »Ich will eine gelbe Torte.«
    »Wir machen eine gelbe Torte. Eine andere.«
    »Nein!« Ihr Gesicht
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