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Hundsleben

Hundsleben

Titel: Hundsleben
Autoren: N Förg
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schüttelte den Kopf. »Nein, es ging um ihre
eigenen Bilder und das darunter. Das ist unglaublich.«
    Reiber nickte. Wieder kreuzten sich ihre Blicke. Es war
Gerhard, der nun sprach: »Es war eine Trilogie, ein Triptychon, das Format war
anders als bei den übrigen Bildern der Lepipfa! Kleiner, nicht wahr? Drei
kleine Bilder.«
    Sie schwiegen, dann kreuzten sich ihre Blicke.
Eigentlich war das unglaublich. Kühn oder verzweifelt, wenn es denn so war,
dachte Gerhard.
    »Hätte sie das im Kreuz gehabt, ich meine,
künstlerisch? Handwerklich?«, fragte Răzvan schließlich.
    »Ich denke doch, sie dürfte gewusst haben, wie man
eine Ikone so übermalt, dass man später die Ikone wieder freilegen kann. Dass
die Ikone ihren unschätzbaren Wert behält. Wir haben lange genug in ihrem Leben
gestöbert. Sie hat Vergolderin gelernt. Sie war dann auf der
Restauratorenschule. Sie hat sogar einen Meisterbrief. Sie hatte das im Kreuz.«
    »Sie tarnen eine Straftat mit einer anderen. Ködern
uns mit angeblichen Drogengeschäften, die sich im Kindergartenumfang bewegen.
In Wirklichkeit verschieben sie sakrale Kunst, Diebesgut aus Kirchen und
Klöstern, vieles, was über die Ukraine oder das Schwarze Meer aus Russland
kommt. Das ist es. Das ist brillant!«, rief Răzvan.
    »Und sie hatte einflussreiche Freunde, ich denke, da
gab es Abnehmer, Irre, die so was in einem gepanzerten Raum im Keller haben und
dann zu Beethovens Neunter einmal am Tag betrachten. Die Rumänen kommen
dahinter, und sie übermalt die Ikonen mit ihren Hundebildern.« Gerhard atmete
tief durch. »Und das alles passt auch sehr gut zu den Aussagen ihrer Zweiten
Vorsitzenden Frau Eisele, die Frau Pfaffenbichler ungewöhnlich nervös fand. Ich
gehe mal stark davon aus, dass sie die Bilder in Berlin verkaufen wollte.
Deshalb war sie so nervös.«
    »Aber warum hat sie die Bilder nicht im Hotel
gelassen?«, fragte Răzvan.
    »Oh, ich nehme an, ihr Gedanke war gar nicht so dumm.
Je offensiver man mit etwas umgeht, desto unauffälliger ist es. Die Bilder
waren in der Ausstellung besser geschützt als im Hotel, wo ja auch jederzeit
hätte eingebrochen werden können«, sagte Reiber.
    »Da wird Constantin sicher auch gewesen sein. Er war
zuerst bei ihr zu Hause, als er da wieder nichts gefunden hat, schmiedet er den
perfiden Plan mit den Hunden. Heuert drei Männer an. Die mailen ihm die Bilder.
Er zeigt sie der Dame. Die bricht zusammen, muss dennoch sterben. Auch Ionela
Raţ sollte sterben, weil die beiden deutschen
Spürhunde Witterung aufgenommen hatten. Er hat sie wohl doch nicht geglaubt,
Ihre schöne Lehrergeschichte. Und nun hat er die Bilder. Das war niemals eine
Ablenkung. Es ging immer nur um diese Bilder!« Răzvan schüttelte den Kopf.
»Wir waren blind!«
    »Aber nun sind wir Sehende! Wo ist sein Gepäck?«
Reiber hatte begonnen, umherzulaufen.
    »Am Flughafen. Ich lass es herbringen.« Auch Răzvan
schien froh zu sein, zum Telefon gehen zu können.
    »Er könnte die Bilder sonst wo haben. In einem Safe.
In seiner Wohnung oder längst vertickt«, sagte Gerhard.
    »Nein!« Das war alles, was Reiber zu sagen hatte, ein
kategorisches Nein.
    Es waren lange fünfunddreißig Minuten, bis ein Koffer,
ein Skisack und eine Skischuhtasche ankamen.
    »Ein Skitourist auf dem Weg nach Österreich, na, das
ist doch putzig!« Reiber reichte ihnen allen Handschuhe. Im Koffer gab es
erlesene Hemden, einen Kulturbeutel, keinerlei Skioutfit. Keinen doppelten
Boden. Sie spekulierten auf die Skischuhtasche, mit einem Messer schnitt
Răzvan den Boden auf. Da war ein Zwischenraum, der aber leer war. Also der
Skisack. Ski, Stöcke, nichts in den Seitentaschen. Gerhard stellte die Ski zur
Seite und stülpte den Sack wie eine Socke auf die linke Seite. Und da war sie.
Eine zweite Haut, von innen verschweißt, gleiche Farbe wie der Sack. Vorsichtig
lösten sie die Verklebungen. Düsterer Donnerhall, Orgiastischer Orkus,
Schauriges Schattenreich. Signiert mit »Lepipfa«. Ausrufezeichen!
    »Nun wird Dracula kein Blut mehr schlürfen«, sagte
Gerhard.
    Sie schüttelten sich die Hände. Drei Männer. Aus
Bayern, Berlin und Bukarest.

EPILOG
    Otto hatte den Weihnachtsmann zweifelsfrei
identifiziert. Der spendable Blumenbote war Constantin gewesen. Constantin
hatte gestanden. Hatte die Namen der Hundehenker preisgegeben. Hatte Gheorghe
ans Messer geliefert. Bei Ionela konnte man ihm nun schwere Körperverletzung
nachweisen. Ionela lag immer noch im künstlichen Koma, aber sie würde
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