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Hundsleben

Hundsleben

Titel: Hundsleben
Autoren: N Förg
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»Das
ist eine Passagierliste der LH  3678
Bukarest–Berlin. Sie haben Ihr Pseudonym Juri Jusenkov verwendet, unter dem Sie
für ein Sexmagazin schreiben. Das passt wohl nicht zum Kulturimage des
Constantin Nagy! Wollen Sie mir nicht mal den falschen Pass von Juri zeigen?«
    Constantin ruckelte nach vorne. Seine Gesichtszüge
entgleisten. Er hatte eine Schrecksekunde, die Reiber zu nutzen wusste. »Denken
Sie mal kurz darüber nach. Sie sitzen bis zum Kinn in der Scheiße. Der Kollege
Răzvan hier macht Ihnen sicher ein gutes Angebot, wenn Sie als Kronzeuge gegen
Gheorghe Mutu aussagen. Denn Sie wollen doch nicht Ihren klugen Kopf allein
hinhalten? Er ist doch der Drahtzieher dieser netten kleinen Drogengeschäfte.«
    Gerhard hatte Constantin die ganze Zeit sehr genau
beobachtet. Seine Fassade war eingestürzt. Aber als Reiber das Wort
»Drogengeschäfte« benutzt hatte, huschte ein Lächeln über seine Lippen. Er
hatte sich wieder im Griff.
    »Drogen? Mein lieber Herr Lehrer, mit Drogen habe ich
nichts zu tun. Das werden Sie in hundert Jahren nicht nachweisen können!«
Dracula war wieder da. Bisswütig und spöttisch.
    »Denken Sie nach, Juri-Constantin! Wir machen eine
kleine Pause, und dann wollen wir eine bessere Geschichte hören!« Mit einer
Kopfbewegung hieß Reiber die anderen beiden, hinauszugehen.
    »Uff! Volker, was war das denn? Juri Jusenkov?«
Gerhard war auf einen Stuhl im Gang gesunken. Răzvan lehnte sprachlos an der
Wand.
    »Er ist ein Spieler, daran besteht kein Zweifel. Ihn
kann man nur schlagen, wenn man bereit ist, einen sehr hohen Einsatz zu
spielen. Ich habe gepokert. Ich habe die letzte Nacht vor dem Computer
verbracht und bin darauf gestoßen, dass er auch unter Pseudonym schreibt. Er
ist ein Egomane. Es ist nur ein Impuls, aber ich denke, er würde wirklich sein
Pseudonym nehmen!«
    Răzvan rutschte die Wand hinunter und kauerte auf den
Knien. »Sie wollen sagen, Sie wissen nicht, ob er wirklich eingereist ist? Was
war das dann für eine Liste?«
    »Och, eine Aufstellung von vor Weihnachten, wer
welches Geschenk bei uns im Kommissariat bekommt.« Reiber grinste.
    Răzvan gab ein Geräusch von sich, als bekomme er kaum
mehr Luft, Gerhard stieß ein »Du Hundsfott!« aus. »Aber du hattest ihn! Deine
Annahme war richtig. Gut gepokert, du hast das Ass.«
    Răzvan hatte sich wieder gefasst. »Ja, er war fast so
weit, aber als Sie das mit den Drogen sagten, war seine Selbstsicherheit wieder
da!«
    Reiber nickte. »Das seh ich genauso. Also was nun? Er
scheint sich sicher zu sein, dass wir ihm keine Drogengeschäfte nachweisen
können. Er wird vielleicht sogar zugeben, in Berlin gewesen zu sein. Wie Sandra
Angerer wird er uns einen schönen Grund für diese vorweihnachtliche Reise
präsentieren. Und dabei hat er eine Frau ermordet, eine andere lebensgefährlich
verletzt. Einfach so? Weil er keine Tierschützerinnen mag? I don’t like
mondays? I wanna shoot the whole day down? Verdammt und zugenäht!«
    »Wir haben alle den gleichen Eindruck. Wir waren so
kurz davor! Wenn diese Ionela nur endlich ansprechbar wäre!«, rief Gerhard.
    Reiber nickte, und dann glitt ein Lächeln über sein
Gesicht. »Ionela nicht, aber der Weihnachtsmann!«
    Răzvan schaute sie eher an wie der Osterhase, Reiber
erläuterte den Fall, und dann sagte Răzvan nur eins: »Einfliegen!«
    Reiber arrangierte das. Otto Schluckspecht würde gegen
Abend da sein.
    »Er muss ihn einfach erkennen, er muss!«, rief
Răzvan.
    Gerhard nickte. »Ja, aber wenn nicht? Hat Ionela Raţ wirklich nur diesen einen Satz gesagt? Bevor
der Arzt dazwischen ist?«
    »Ja, sie sagte: ›Es war unter ihren eigenen Bildern‹«,
sagte Răzvan.
    »Ja, die Drogen waren unter den Bildern. Festgeklebt
an der Rückwand oder so. Ist doch gar kein schlechtes Versteck.« Gerhard
schüttelte unwillig den Kopf.
    »Sie sagte: ›Es war unter ihren eigenen Bildern.‹
Wieso sagt sie ›eigenen‹ ?
    »Na, weil Frau Pfaffenbichler sie gemalt hat.« Gerhard
war nicht ganz klar, worauf Reiber hinauswollte.
    »Dann hätte es genügt, zu sagen: ›ihren Bildern‹.«
    Gerhard sah Reiber an, dann Răzvan. Ihre Blicke
trafen sich in der Mitte eines dreistrahligen Sterns, es war, als entzündete
sich dort ein Feuer. Gerhard wusste es, sie alle dachten das Gleiche. Sie waren
Kriminaler. Sie hatten alle eine Vorgeschichte, und in ihrer aller Geschichten
kamen die Guten selten vor.
    »Ich glaube nicht mehr, dass es um Drogen ging«, sagte
Reiber leise.
    Răzvan
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