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Hundertundeine Nacht

Hundertundeine Nacht

Titel: Hundertundeine Nacht
Autoren: Christoph Spielberg
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unsere Abteilung für chronisch Kranke, bis rüber in den mittlerweile auch vierzig Jahre alten »Neubau« würden wir zehn Minuten brauchen. Dabei würden wir zweimal in einem Fahrstuhl eingeschlossen sein und den Rest der Zeit mit der Trage über den Innenhof schippern, und weder ein enger Fahrstuhl noch ein Innenhof bei sieben Grad minus sind ideale Orte für eine erneute Wiederbelebung. Also hatte Käthe schon einen schönen Pharmacocktail gemixt – ein bißchen Dopamin, ein bißchen Verapamil, ein wenig Kalium, damit sollte der gute Herr Winter bis zur Intensivstation auskommen.

    »Welche Stufe wollen Sie, Doktor?«

    Als erfahrene Schwester hatte Käthe die Medikamente selbst zusammengestellt, sie wollte von mir nur noch wissen, mit welcher Geschwindigkeit die elektrische Infusionspumpe den Überlebensmix in Winters Körper drücken sollte.

    »Erst einmal volle Kanne, Stufe 3.«

    Sicher ist sicher. Klick – nichts tat sich. Auch wiederholtes Knipsen am On/Off-Schalter erweckte die Infusionspumpe nicht zum Leben. Allerdings hatten es inzwischen sowohl Käthe wie auch ich so oft probiert, daß wir nicht wußten, ob am Beginn unserer Bemühungen der Schalter auf »on« oder »off« gestanden hatte.

    »Hatten Sie die Pumpe vorhin abgestellt?«

    Käthe überlegte.

    »Keine Ahnung, Doktor. Ich glaube nicht. Ich meine, ich bin hereingekommen, habe gesehen, daß es ein Problem gibt, und habe angefangen.«

    »Hatte es denn Fehlfunktionsalarm gegeben?«

    »Nein – jedenfalls habe ich ihn nicht gehört. Ich war ins Zimmer gekommen, um Winter ein schönes neues Jahr zu wünschen.«

    Winters Herz konnte nicht lange stillgestanden haben, sonst hätten wir es nicht geschafft. Wie lange er tatsächlich weg gewesen war, würde sich in ein paar Stunden oder Tagen herausstellen. Erst dann würden wir wissen, ob wir nur seinen Kreislauf wiederbelebt hatten oder, hoffentlich, auch sein Hirn.

    »Wissen Sie noch, wann Sie zuletzt nach Winter gesehen hatten?

    »So gegen halb elf, da war alles in Ordnung. Er wäre wieder gegen halb zwölf dran gewesen, aber da hatte Renate schon nach ihm geschaut.«

    Richtig. Renate hatte mir gesagt, sie wolle Käthe helfen, bevor sie verschwunden war. So weit, so gut. Nur – wo war Schwester Renate jetzt? Genügend Lärm hatten wir sicher gemacht in der letzten Viertel Stunde. Aber jetzt hatten wir andere Probleme. Käthe besorgte eine neue Infusionspumpe, während ich zur Sicherheit die Intubation noch einmal auf die richtige Lage überprüfte, schließlich wollten wir auf unserer Partie über das Klinikgelände seine Lunge und nicht seinen Magen beatmen.

    Zu guter Letzt haben wir ihn lebend auf der Intensivstation abgegeben, alles weitere war nun deren Bier.

    Ich begleitete Schwester Käthe zurück zum Altbau. Aus dem Wirtschaftstrakt klang die Musik jetzt ziemlich laut über das Gelände, man hatte sich warm getanzt und die Fenster geöffnet. Doch die Partygemeinde würde noch eine Weile auf einen Tanz ins neue Jahr mit Dr. Felix Hoffmann verzichten müssen, ich wollte zurück in Winters Zimmer. Celine würde mich nur nerven, mit ihr zu tanzen, und bei meinen Tanzkünsten ist mir jede Ausrede recht. Wie zum Beispiel die Frage, warum Winters Infusionspumpe plötzlich ihre Arbeit eingestellt hatte.

    Diese Pumpen sind einfach aufgebaut, meine Suche dauerte nicht lange. Einmal mehr machte sich meine Vergangenheit als oft gescholtener Zerleger mechanischer Wecker und anerkannter Reparateur streikender Toaster oder elektrischer Zahnbürsten bezahlt. Die Pumpe war vollkommen in Ordnung: Der Schalter funktionierte einwandfrei, der Druckkolben war nicht festgefahren, die Kontakte waren sauber. Es war einfach nur die Sicherung durchgebrannt. Unglaublich, Winter wäre uns fast wegen der Fehlfunktion eines Zehn-Cent-Artikels gestorben! Frohes neues Jahr!

    Das gesamte Buch ist als Kindle eBook hier erhältlich.
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