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Hundertundeine Nacht

Hundertundeine Nacht

Titel: Hundertundeine Nacht
Autoren: Christoph Spielberg
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Notarztwagen einen ehemaligen Patienten von mir angeschleift. Als Rundum-Sorglos Paket, aber dead upon arrival. Als der bei mir vor ein paar Monaten auf Station lag, hatte er ein paar Prellungen und Schnittwunden, aber nichts von Bedeutung. Jedenfalls ist uns nichts aufgefallen. Und gestern nacht war er quittegelb und tot. Ich möchte wenigstens wissen, woran er jetzt erkrankt und gestorben ist. Und nun wird er nicht seziert, weil Schreiber eventuell bei seinem Einsatz irgendwas versaut hat.«

    Marlies stand auf und legte mir ihre Hände auf die Schultern.

    »Wir wären Millionäre, wenn wir nur eine Mark für jeden Patienten bekämen, von dem wir nicht genau wissen, was er eigentlich hat oder warum er uns weggestorben ist. Was ist bloß in dich gefahren, deshalb den kleinen Schreiber so anzumachen?«

    Sie hatte recht – warum ließ ich meine Müdigkeit und Frustration an dem jungen Schreiber aus? Wahrscheinlich aus schlechtem Gewissen, weil ich Mischas Behandlung seinerzeit weitgehend meinem Arzt im praktischen Jahr überlassen hatte. Damals schien das in Ordnung, lag Mischa doch lediglich zur Beobachtung bei uns.

    »Weißt du, er war einer von den Reinigungsleuten, die wir kaum wahrnehmen und mit denen wir nie sprechen. Vielleicht habe ich mir damals nicht genug Mühe mit ihm gegeben, etwas Wichtiges übersehen.«

    »Felix, natürlich verstehe ich dich. Ein Patient, den du als gesund eingestuft hast, ist plötzlich tot! Unser schlimmster Alptraum! Aber ich kenne keinen Arzt, der sich auch nur halb soviel Mühe mit seinen Patienten gibt wie du. Geh nach Hause, und schließ den toten Mischa in dein Abendgebet ein. Mehr kannst du nicht tun. Und laß den kleinen Schreiber in Ruhe. Du willst ihm doch nicht sein USA-Stipendium vermasseln, oder?«

    Wollte ich nicht. Sie hatte recht. Ich brauchte einen schönen Metaxa und mein Bett. Morgen wäre auch noch ein Tag, um mir den Kopf über den Tod eines ehemaligen Patienten zu zerbrechen.

    Das gesamte Buch ist als Kindle eBook hier erhältlich.

Leseprobe

Christoph Spielberg
Denn wer zuletzt stirbt

Als Kindle eBook hier erhältlich

Prolog

    Es war Punkt vierundzwanzig Uhr, exakt der Beginn des neuen Jahres, als die rote Kontrollampe an seiner Infusionspumpe aufleuchtete. Er hatte nicht mehr damit gerechnet, das neue Jahr lebend zu erreichen, trotz Dr. Hoffmanns Versicherung, daß seine Zeit noch nicht gekommen sei und diese Infusion dafür sorgen würde. Ärzte müssen Hoffnung verbreiten, auch falsche, das gehört zu ihrem Job. Tatsächlich fühlte er sich auch schon besser mit diesem Medikament, das in steter Dosierung in seinen Körper gepumpt wurde.

    Egal ob professioneller Optimismus oder qualifizierte medizinische Einschätzung, Dr. Hoffmann hatte recht behalten, er war lebendig im neuen Jahr angekommen. Unglaublich. Seit Weihnachten war es ihm verdammt schlecht gegangen, in der vergangenen Woche hatte Dr. Hoffmann jeden Tag öfter vorbeigeschaut, schon an sich ein schlechtes Zeichen, und bei jeder Visite ein besorgteres Gesicht gemacht. Soweit er es verstanden hatte, war das Problem nicht direkt sein verdammter Prostatakrebs, Folge seines Alters von immerhin zweiundachtzig Jahren und von zu oft verschobenen Besuchen beim Urologen, sondern es hing mit der Schwächung des Körpers durch die Chemotherapie zusammen. Irgendwelche Bakterien hatten die Chance ergriffen, sich in seiner Lunge festgesetzt und von dort aus seine Organe vergiftet. »Sepsis«, hatte Dr. Hoffmann gemurmelt und mit einem Dr. Valenta von der Intensivstation das weitere Vorgehen diskutiert.

    Dieser Dr. Valenta wollte ihn auf die Intensivstation übernehmen,aber Dr. Hoffmann hatte abgelehnt: Das sei ein zu großer Streß für seinen Patienten, die notwendigen Medikamente könne er auch hier bekommen. So war er an diese Infusionspumpe angeschlossen worden. Tatsächlich kümmerten sich die Schwestern sehr aufmerksam um ihn, sicher liebevoller als das abgestumpfte Personal auf der Intensivstation.

    Aber nun leuchtete plötzlich dieses rote Lämpchen. Sollte er sich Sorgen machen? Sicher nicht. Irgendwo würde auf einem Monitor jetzt auch eine Kontrollampe blinken, gleich würde jemand kommen und die Sache in Ordnung bringen. Falls überhaupt etwas in Ordnung zu bringen war. Er kannte sich aus mit plötzlich aufleuchtenden Kontrollämpchen, schließlich hatte er fast fünfundzwanzig Jahre seines Lebens im Cockpit von Flugzeugen verbracht: Rote Lämpchen für ein angeblich klemmendes Fahrwerk,
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