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Hundejäger töten leise

Hundejäger töten leise

Titel: Hundejäger töten leise
Autoren: Stefan Wolf
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Wieder vergeblich!
    Kein Tier, das sie retten
konnten. Waren alle schon tot, verbraucht, geopfert für sinnlose Versuche?
    „Was ist dort?“ fragte Lambert,
der mitgekommen war. Er wies auf ein langgestrecktes Gebäude. Die wenigen
Fenster waren schmal, die Scheiben undurchsichtig grau.
    „Die Labors“, antwortete
Kobrutschik
    „Wollt ihr euch dort umsehen?“
fragte Lambert.
    Locke nickte.
    Der Hausmeister schloß auf und
ging voran.
    Locke, Tom und der Kommissar
betraten das große Labor der Tierversuchsanstalt, eine Hexenküche, vielleicht
auch das Vorzimmer zur Hölle, oder die Hölle selbst. Was sie sahen, war mehr
als ein Mensch — der nicht abgestumpft oder sadistisch ist — ertragen kann.
    Locke konnte nicht mehr
sprechen. Ihr Herz schlug, als wollte es durch die Rippen entfliehen. Für einen
Moment wurden ihre Knie so schwach, daß sie sich an Tom festhalten mußte.
    Tom war totenbleich und spürte,
wie ihm kalter Schweiß aus den Achseln floß.
    Der Kommissar preßte sein
Taschentuch vor den Mund. Ihm wurde übel. Er schloß die Augen. Aber — sagte er
sich — ich darf nicht schlappmachen. Die beiden zwingen sich, das anzusehen,
und sind bis auf den tiefsten Grund ihrer Seele erschüttert.
    Die Luft roch nach Angst, nach
Chemikalien, nach Folter und Tod.
    Kaninchen, Meerschweinchen,
Hamster, Ratten und Katzen — etwa 50 Tiere, insgesamt — waren in stählernen
Gestellen festgeschnallt. Sie konnten sich nicht rühren, nicht lecken, nicht kratzen.
Nur ihre Augen, in denen namenloses Entsetzen stand, zeigten noch Leben.
    Offensichtlich wurden
kosmetische Artikel untersucht: Handcremes, Gesichtswasser, Augenbrauenstifte,
Lippenstifte, Gesichtscremes, Badezusätze, Seifen, Shampoos, Make ups, Haarfärbemittel,
Wimperntusche, Puder, Sonnenschutzmittel und anderes.
    Einem Teil der Tiere waren die
Artikel gewaltsam in den Magen gefüllt worden. Die Schnauzen dieser Tiere waren
in stählerne Spangen geschraubt und weit geöffnet. Sie röchelten. Einige verendeten
bereits.
    Anderen Tieren hatte man die
Artikel in die Augen geträufelt. Um die Augen offen zu halten, waren auch dort
stählerne Haken und Klammern angebracht. Viele Augen gab es nicht mehr
    Um die Hautverträglichkeit der
Artikel zu testen, hatte man den restlichen Tieren die Haut geschoren und
aufgeschnitten. Haut und Wunden hatte man eingerieben mit den zu prüfenden
Substanzen ( Stoffen ).
    Zitternd ging Locke an den
verstümmelten Geschöpfen vorbei. Was sie und Tom und der Kommissar sahen —
nein, schlimmer konnte es auch in der Hölle nicht sein.
    Locke weinte. Tränen liefen
über ihr Gesicht. Sie wollte die Hand ausstrecken, dort ein Kaninchen
streicheln, dort einen Hamster, dort ein Meerschweinchen, dort eine Katze.
    Tom hielt sie zurück.
    „Es hilft ihnen nicht“,
flüsterte er. „Sie leben nicht mehr, aber sie sind noch nicht tot. Unsere Hilfe
kann nur darin bestehen, daß wir sie von diesen Qualen befreien.“
    Durch einen Schleier aus Tränen
sah Locke ihren Freund an.
    „Tom, ich bleibe hier. Ich setze
mich auf den Boden und gehe erst weg, wenn ein Tierarzt hier ist und diese
armseligen Geschöpfe einschläfert.“
    „Ich bleibe auch“, sagte Tom.
Er wandte sich um und sah in Lamberts bleiches Gesicht. „Mäuchler ist ein
Verbrecher und muß mit Gefängnis rechnen. Das heißt, die Versuchsanstalt
besteht nicht mehr. Damit müßte es auch rechtlich möglich sein, die Tiere
einzuschläfern. Oder?“
    „Das ist mir völlig egal“,
sagte Lambert. „Ich rufe sofort einen Tierarzt an. An den Kosten beteilige ich
mich. Himmel, ich habe zwar einen Kanarienvogel zu Hause, aber ich kenne keinen
Tierarzt.“
    „Rufen Sie Dr. Helga Conradi
an“, sagte Locke. „Toms Mutter ist Tierärztin. An der Rechnung brauchen Sie
sich nicht zu beteiligen. Es wird keine geben.“
    Kobrutschik hatte zugehört. Er
grinste.
    Tom ging auf ihn zu.
    „Du hast jetzt noch drei
Sekunden, um dein Grinsen einzustellen, du Dreckhaufen. Sonst — das schwöre ich
— bleibt weniger von dir übrig als von diesen Tieren.“
    Der Kerl sah Tom an, sah in das
blaue und das grüne Auge — und das Grinsen erlosch.
    Sie verließen das Labor. Locke
trocknete ihre Tränen. Lambert ließ sich von Tom die Telefonnummer geben.
    Tom sagte: „Ich komme nicht mit
rein. Wenn ich diesen Mäuchler sehe — ich weiß nicht, was dann passiert.“
    Helga Conradi wurde verständigt.
Sie war zu Hause, hörte, worum es ging, sagte, sie käme sofort, und machte
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