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Hummeldumm

Hummeldumm

Titel: Hummeldumm
Autoren: Tommy Jaud
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gfraachd.«
    Das erste Prusten war von Sina zu hören, dann giggelte Trixi, und schließlich konnten wir alle nicht mehr. Am prasselnden Feuer des Kuiseb Canyons lachten wir uns den Stress der kompletten Reise von der Seele.
    Man kann auch sagen, dass wir im Lagerfeuerschein unter der Felsenwand den bisher schönsten Abend hatten. Vor allem, weil Sina irgendwann meine Hand hielt. So obskur und verworren die Umstände auch sein mochten - offenbar spürte ein jeder von uns die Besonderheit dieser Nacht an diesem Ort, und wäre die Windhoeker Polizei aufgetaucht, ein Rettungshelikopter oder der österreichische Generalkonsul - wir hätten sie allesamt weggejagt. Nur Bahee fehlte.
     
    Die Hoffnung auf baldige Rettung erlosch mit der Glut unseres Feuers. Die Dunkelheit, die Nacht und die Kälte bereiteten uns keine Angst, war uns doch Henno Martins Versteck durch meine Erzählung auf seltsame Weise vertraut geworden. Wir gingen zu Bett, als Matratze diente uns der ausgebreitete Inhalt unserer Reisetaschen, als Schlafanzug mehrere Schichten der wärmsten Klamotten, die wir hatten.
    Vorsichtig an meine Freundin angekuschelt, blickte ich schweigend in die funkelnden Sterne und genoss Sinas Nähe. Ich rührte mich nicht, ich wollte nichts mehr kaputtmachen, schon gar nicht diesen Moment. Mein Wunsch, nach Hause zu fliegen - er war wie weggewischt.
    Alle hielten wir inne, tankten Stille, dachten nach: Schnabel, der in einer dicken Jacke regungslos wie eine Statue auf seiner Tasche saß, oder Speckhut, der in größtmöglichem Abstand zu seiner Gattin auf einer Matratze aus dünnen Zweigen lag und Löcher in den Himmel starrte. Die glitzernden Sterne, die Weite des Blicks und die Stille der Nacht - die Natur ließ uns alle nachdenklich werden.
    Ganz langsam wurde mir bewusst, dass es all dies hier nicht nur deswegen gab, damit man es fotografierte. Das Land konnte mehr, man musste es nur erleben. Für mich war die Nacht wie ein Schlag ins Kartenhaus alberner Lebenskonzepte. Reiseadapter, unbequeme Kleinbusse und Wohnungen mit Rheinview: All diese Dinge wirkten geradezu zwergenhaft, stellte man sie den wirklichen Fragen gegenüber: Wer bin ich? Wen liebe ich? Und wer hat eigentlich die letzte Runde im Grünen Kranz bezahlt?
    »Hey«, flüsterte Sina neben mir, »ich hab da eine ganz schöne Scheiße zusammengebucht, oder?«
    »Finde ich nicht!«, lächelte ich leise und drückte sie noch näher an mich.
    Stolz hing der Mond über dem riesigen Land, ehrfurchtsvoll war unser Blick. Diese Nacht ließ nicht zu, dass man sich etwas vormachte. Trotz unserer warmen Klamotten waren wir alle nackt.
     

41
    Als ich erwachte, fand ich mich mit Sina verknotet unter unseren Jacken und Pullovern wieder, bedeckt mit gefrorenem Tau, wie schon nach der ersten Wüstennacht. Und doch gab es einen bedeutenden Unterschied: Sina lag wieder neben mir! Und offenbar fixierte auch sie schon den hüpfenden Punkt am Ende des Pfades.
    »Schau«, flüsterte Sina, »da kommt jemand vom Parkplatz!«
    Noch halb verschlafen zog ich meine Freundin an mich ran und schloss die Augen. Ich wollte nicht, dass jemand kommt.
    »Jetzt echt, Matze! Schau!«
    Fast ein wenig unwillig blickte ich den Hang hinauf und erspähte einen schmächtigen Weißen. Eine große Styroporbox vor sich her tragend, hastete er eilig den kleinen Wanderweg zu unserem Felsvorsprung herunter. Auch die anderen schienen schon wach, zumindest bewegten sich die Berge von Jacken, Pullovern und Hemden, mit denen wir versucht hatten, uns warm zu halten - die Höhle sah aus wie ein Obdachlosenlager unter einer Kölner Brücke.  .
    »Da kommt jemand runter!«, informierte uns Trixi über das, was eh alle längst gesehen hatten, und Schnabel sagte »No!« Seit gestern Nachmittag hatten wir auf Rettung gewartet, nun, da sie kam, beäugten wir sie mit einer gewissen Befremdung.
    Ein scharfes »Hey!« knallte durch den Canyon und zerschlug die heimelige Stille der Nacht. »Sind Sie die Gruppe von Bahee Mutima?« Wir blickten uns an, doch irgendwie fühlte sich keiner bemüßigt zu antworten. Wir hätten schreien müssen für eine Antwort, und das hätte nicht gepasst. »Geht's Euch gut? Ist jemand verletzt? Hallo?«
    Bald schon stand das schmächtige weiße Männchen vor uns, legte seine Box ab und stützte sich atemlos mit den Händen auf die Knie. Er trug eine Military-Hose und eine dicke, dunkle Daunenjacke, die seinen schmalen und beinahe haarlosen Kopf noch kleiner wirken ließ.
    »Hallo erst mal,
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