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Hummeldumm

Hummeldumm

Titel: Hummeldumm
Autoren: Tommy Jaud
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Trixi kramten ihre Reiseführer aus den Taschen und suchten nach Notrufnummern. Das Ergebnis war, dass wir genauso viele verschiedene Notrufnummern wie Reiseführer hatten und ein Streit darüber entbrannte, welche nun die richtige sei und wer welche Nummer anrufen sollte. Zur Auswahl stand die landesweite Rufnummer der Polizei 10111, die Feuerwehr von Windhoek mit der 211111 und Honorarkonsul Erich Wannemacher vom Osterreichischen Konsulat, was Speckhuts Vorschlag war.
    »Was willsde denn mid am ösderreichischen Konsulat?«, schnarrte Seppelpeter.
    »Wos i damit wüll?«, entgegnete Speckhut, »ganz einfach: I bin a Österreicher!«
    »Pförds! A Debb bisde! Die Polizei müss mer anrufen oder an Reddungsdienst!«
    Ich warf den Satz »Wie war's denn mit dem Reise-Veranstalter?« dazwischen, was ein respektvolles Schweigen zur Folge hatte.
    »Klar. Logisch. Den Veranstalter«, nickte Sina, was mich stutzen ließ, hatte sie mir doch seit Tagen kein einziges Mal mehr recht gegeben.
    »I ruf an!«, krächzte die Gruberin, und noch ehe jemand anbieten konnte, sie zu begleiten, hatte sie sich schon mit Wasserflasche und Handy Richtung Parkplatz aufgemacht, wo man offensichtlich ab der Hälfte des Weges Handyempfang hatte. Kurz daraufkam sie mit der Nachricht zurück, dass sie den Veranstalter erreicht habe, ein neuer Guide sei bereits auf dem Weg zu uns und Bahee spurlos verschwunden.
    »Spurlos verschwunden?«, wiederholte ich skeptisch. »Wie kann denn ein Guide spurlos verschwinden?«
    »Hast ja g'sehen«, wienerte sie schnippisch, »vorhin war er noch da, jetzt isser weg. Spurlos verschwunden!«
    »Und haben die auch gesagt, warum Bahee jetzt abgehauen ist?«, fragte Trixi, woraufhin die Gruberin mit den Augen rollte und ihr das Handy reichte.
    »Ja geh, dann ruf selber an. Er is spurlos verschwunden. Fertig.«
    Mit diesen Worten setzte sie sich wieder auf ihre Tasche und steckte sich eine Trockenfrucht aus einer silbernen Tüte in den Mund, als Zeichen, dass die Fragestunde nun beendet war. War sie natürlich nicht, denn viel mehr als vor dem Anruf wussten wir nun auch nicht.
    »Und ... wann genau kommt der neue Guide?«, fragte Sina.
    »Ja, Herrgottszeiten, er ist unterwegs, mehr weiß i a net!«, antwortete die Gruberin unwirsch.
    »Wichtig ist ja auch, VON WO er unterwegs ist!«, warf Breitling ein, und Schnabel wollte wissen, ob der neue Guide auch Bier im Kühlschrank habe. Wütend sprang die Rosinenhexe auf und stapfte in Richtung Canyon mit den Worten: »Wisst's ihr was? Leckt's mich doch alle am Arsch!«
    Zurück blieben wir, eine seltsame Mischung aus einer Low-Budget-Version von Lost und dem RTL-
Dschungel-Camp
. Wir setzten insgesamt noch drei Notrufe ab, nämlich an die Feuerwehr in Windhoek, die Polizei und das Schweizer Generalkonsulat, Trixis Vorschlag. Alle An- und Rückrufe hatten das gleiche Ergebnis: kein Grund zur Sorge, ganz Windhoek wisse inzwischen, wo wir steckten, und ein Vertreter von Kalahari Unlimited sei mit einem neuen Bus unterwegs zu uns.
    Dunkel wurde es trotzdem. Ich hatte zusammen mit Trixi in der näheren Umgebung Holz gesammelt; sie war geradezu versessen darauf, irgendetwas Nützliches für die Gemeinschaft zu tun. Wenig später saßen wir im Halbkreis um ein kleines, aber feines Feuerchen, teilten uns schweigend die Reste unserer Lunchpakete und ließen unsere Gedanken flirren.
    Seltsame Dinge geschahen: Die Gruberin verteilte mit steifer Großzügigkeit Trockenfrüchte, Seppelpeter rückte eine Tüte Walnüsse aus seinem Bamberger Garten heraus, und Schnabel warf mehrere Packungen ekelhaft schmeckender Power-Riegel in die Runde, von denen er keine mehr essen wollte. Breitling, der mit Brenda bei Sina und Trixi saß, steuerte eine Flasche Cabernet Sauvignon bei, die wir aus den Aludeckeln unserer Trinkflaschen zu uns nahmen, er selbst trank nichts. Immer noch erschrocken vom Nachmittag der Wahrheit, behandelten wir uns nun mit geradezu porzellanhafter Höflichkeit, ja selbst die Mauer zwischen Sina und mir schien zu bröckeln.
    Es war kurz nach sieben Uhr am Abend, und noch immer war kein neuer Guide aufgetaucht. »Sag mal, Matze, du hast doch dieses Buch da gelesen. War das nicht über die beiden, die hier gewohnt haben?«, wollte Trixi wissen, und alle schienen froh, dass überhaupt mal jemand was sagte.
    »Die deutschen Geologen? Die Kriegsflüchtlinge?«
    »Ja. Haben die oft hier übernachtet?«
    »Also, genau weiß ich das nicht mehr, aber ein paar Monate werden das schon
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