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Huff, Tanya

Huff, Tanya

Titel: Huff, Tanya
Autoren: Blood Ties 04 - Blutpakt
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kannte die Adresse; als das Institut vor zwei
Jahren in sein funkelnagelneues Gebäude umgezogen war, hatte ihre Mutter sie
stolz her umgeführt.
„Arch Street."
    „Beim Krankenhaus? Wir werden es schon finden." Er
warf Vicki im Rückspiegel ein Lächeln zu, das echt wirkte. „Seit 15 Jahren fahre
ich Taxi, und noch nie habe ich mich
wirklich verfahren. Schöner Tag heute - sieht so aus, als würden wir
endlich Frühling kriegen."
    Vicki
blinzelte aus dem Fenster. Die Sonne schien. Hatte in Toronto die Sonne
geschienen? Sie wußte es nicht mehr.
    „Obwohl der Winter besser fürs Geschäft ist. Wer will
schon zu Fuß gehen, wenn der Matsch bis an die Radkappen
steht? Aber der April ist auch nicht schlecht; Hauptsache, es regnet oft. Wie sagt
man so schön: Regen bringt Segen. Bleiben
Sie lange in Kingston?"
    „Ich weiß noch nicht."
    „Besuchen Sie
Verwandte?"
    „Ja." Meine
Mutter. Sie ist tot.
    Irgend etwas an der Art, in der Vicki diese einzelne Silbe
hingeworfen hatte, belehrte den Fahrer darüber, daß
seinem Gast nicht nach Unter haltung zumute war und er weitere
Fragen wohl lieber unterlassen sollte. So summte er leise eine nicht erkennbare
Melodie vor sich hin, und im Taxi herrschte
fast so etwas wie Stille.
    Man hatte versucht, den Betonbau des Fachbereichs
Naturwissen schaften auf die älteren Kalksteingebäude der
Universität abzustimmen, aber dieser Versuch konnte nicht wirklich
als gelungen bezeichnet werden.
    „Fortschritt." Der Fahrer wagte einen weiteren
Vorstoß, als Vicki die Hintertür des Wagens öffnete. Ein großzügiges Trinkgeld
hatte ihm die Zunge gelockert. „Aber heute geht es auch nicht mehr mit ein paar
Bun senbrennern und Reagenzgläsern ab, wenn die jungen Leute
ernsthaft
    forschen
wollen, nicht? In der Zeitung las ich neulich, daß ein Dokto rand ein Patent für
einen Bazillus angemeldet hat."
    Vicki, die dem Mann nur deswegen einen Zwanziger gegeben hatte, weil das die Banknote gewesen war, die ihr als
erstes in die Finger kam, ignorierte die Bemerkung.
    Der Fahrer schüttelte den Kopf, als er die junge Frau mit
geradem Rüc ken den Bürgersteig hinabgehen sah, den Reisekoffer wie
eine Waffe fest im Griff, und beschloß, dieser Kundin keinen
schönen Tag zu wünschen.
    „Mrs. Shaw? Ich bin Vicki Nelson ..."
    Die winzige Frau hinter dem Schreibtisch sprang auf und
streckte Vick i beide Hände hin. „Ja, natürlich! Sie
Ärmste, Sie, sind Sie den ganzen Weg aus Toronto
gekommen?"
    Vicki
trat zurück, konnte aber nicht verhindern, daß die andere Frau ihre rechte Hand ergriff und ausführlich
schüttelte. Ehe sie antworten konnte,
redete Mrs. Shaw hastig weiter.
    „Natürlich kommen Sie geradewegs aus
Toronto! Sie waren ja in To ronto, als ich anrief, und nun sind Sie hier ..."
Mrs. Shaw lachte etwas verlegen und ließ Vickis
Hand los. „Tut mir leid. Aber ... Ihre Mutter und ich waren Freundinnen, wir haben fast fünf Jahre
lang zusammen gear beitet, und als sie ... als sie nun ... das war ...
ein solch schrecklicher Schock!"
    Vicki starrte auf die Tränen, die sich in den Augen der kleinen
Frau sammelten und stellte mit Entsetzen
fest, daß sie absolut keine Ahnung hatte,
was sie jetzt sagen sollte. All die tausend Worte, die sie in den vie len
Jahren ausgesprochen hatte, um Kummer lindern zu helfen, all ihre Ausbildung, all ihr Können - sie konnte nichts
davon wiederfinden.
    „Tut mir leid." Mrs. Shaw griff in ihren
Jackenärmel und zog ein feuch tes, sehr zerknautschtes Papiertaschentuch heraus. „Ich
muß nur ... im mer wenn ich daran denke ...
dann muß ich weinen!"
    „Deshalb sage ich Ihnen auch schon die ganze Zeit, Sie
sollen nach Hause gehen!"
    Dankbar wandte sich Vicki um, um zu sehen, von wem diese
Worte stammten,
die sich aufgrund des ruhigen, sachlichen Tons, in dem sie ausgesprochen worden waren, wie Balsam auf ihre
zerrütteten Nerven
    gelegt hatten. Die Frau in der Bürotür mochte Mitte 40
sein. Sie war klein, untersetzt und trug unter dem offenen
Laborkittel eine eher prak tisch als elegant wirkende
Kombination aus grauer Flanellhose und weißer Spitzenbluse. Das rotbraune Haar
war modisch kurz geschnitten, und eine große Brille mit
dicken Gläsern saß fest auf einem großzügig mit Sommersprossen
übersäten Nasenrücken. Die Frau strahlte ein Selbstbe wußtsein
aus, das selbst über die Entfernung einer Zimmerlänge fast kör perlich
zu spüren war und auf das Vicki sofort reagierte.
    Mrs. Shaw schniefte und steckte ihr Taschentuch wieder in
den
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