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Hüter des Todes (German Edition)

Hüter des Todes (German Edition)

Titel: Hüter des Todes (German Edition)
Autoren: Lincoln Child
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geschlossen, versuchte nicht an den Schlick zu denken, der in seine Ohren drang, und gestattete seinem Körper, ein eigenes Gleichgewicht zu finden, während er sich der Oberfläche entgegenkämpfte. Er hielt seine Nase frei, indem er alle paar Sekunden behutsam Luft ausblies, was allerdings nicht nur den Schlamm aus der Nase hielt, sondern auch dafür sorgte, dass er nicht zu viel Luft in der Lunge behielt. Immer wieder ertastete er mit der Hand Äste und Wurzeln, gefangen im Schlick des Sudd; wann immer möglich, benutzte er sie als Handgriffe, um sich weiter nach oben zu ziehen, während er mit der anderen Hand Christina Romero fest gepackt hielt. Einmal hätte er sich fast in den verrottenden Zweigen und Wurzeln einer untergetauchten Pflanze verfangen. Er kämpfte seine Panik nieder und schob sie zur Seite, während er weiter darauf achtete, sein Gleichgewicht zu bewahren.
    Der gemeinsame Kampf, das vereinte Momentum schienen den Aufstieg leichter zu machen, als es für eine Person allein der Fall gewesen wäre. Weil sie nackt waren, boten sie dem Schlick nicht so viele Angriffspunkte, um sie festzuhalten. Trotzdem dauerte es nicht lange, bis Logan spürte, wie Christinas Hand anfing zu zittern und zu beben. Ihr ging die Luft aus.
    Wie weit waren sie gekommen? Fünf Meter? Sieben? Es war unmöglich zu sagen in diesem schwarzen Nichts. Seine freie Hand ertastete ein weiteres Hindernis, einen weiteren Ast, an dem er sich weiter hochziehen konnte. Er tastete mit dem Fuß danach und drückte sich ab. Inzwischen fingen auch seine Lungen an zu brennen. Das Zucken von Christinas Hand wurde drängender; er musste sie noch fester packen, um sie nicht zu verlieren. Nur noch ein paar Sekunden, und sie würde entweder das Bewusstsein verlieren oder einatmen. Er würde ihr totes Gewicht nicht weiter mitschleppen können. Er spürte bereits jetzt, wie seine Kraft nachließ. Sie würden beide in der endlosen Schwärze versinken, und ihre Leichen würden sich jenen von Narmers Gefolge anschließen, das vor so langer –
    Plötzlich veränderte sich der Sudd. Seine freie Hand musste nicht mehr so angestrengt kämpfen, um sich einen Weg nach oben zu bahnen. Er packte Christina Romeros Hand noch fester, zog sie zu sich heran und schlängelte sich dann mit allerletzter Kraft mit zusammengepressten Beinen senkrecht nach oben. Dann spürte er am Kopf die gleiche Freiheit wie an der Hand – er konnte ihn bewegen, war nicht länger eingepfercht in eine Matrix aus Schlamm. Spuckend und hustend und Schlick ausspeiend zog er Christina zu sich hinauf, bis auch sie durch war. Sie waren über und über von klebrigem schwarzen Schlick umhüllt – mehr Kreaturen des Sumpfes als des trockenen Landes –, doch sie konnten endlich wieder atmen.
    Sie hatten die Oberfläche erreicht.

    Kowinsky war über das Stadium der Verzweiflung hinaus. Inzwischen war er bestimmt über neunzig Sekunden unterwegs, vielleicht bereits zwei Minuten. Er war ziemlich gut in Form, er trainierte regelmäßig, und trotzdem schrie inzwischen jedes Molekül seines Körpers nach Sauerstoff. Er kämpfte sich noch verbissener durch Schlamm und Schlick. Er musste schon ganz dicht an der Oberfläche sein – er musste einfach. Er hatte die Augen weit offen, achtete gar nicht mehr auf den Schmerz. Irgendwann musste doch endlich ein wenig Licht durch diese gottverdammte Hölle fallen. Jeden Moment, ganz bestimmt, würde die unerträgliche Schwärze ringsum ein wenig heller werden, dann noch ein wenig heller, und dann … Luft.
    Er musste seine ganze Willenskraft aufbieten, um den Mund geschlossen zu halten. Luft. Er brauchte Luft. Jeder weitere Moment sandte kleine brennende Lanzen aus reinem Schmerz durch seine Lungen. Er spürte den Schlick nicht länger, den Gestank, die Art und Weise, wie der Sumpf in jede Körperöffnung eindrang, jede Falte ausfüllte, selbst jene, von deren Existenz er bisher nichts gewusst hatte. Luft war das, was er brauchte. Luft.
    O Gott, es war nicht auszuhalten. Wo war er? Warum war alles so schwarz? Warum war er immer noch unter der Oberfläche?
    In seinem hektischen, panischen Zappeln ertastete er etwas. Er tastete daran entlang, mit weit aufgerissenen, nichts sehenden Augen, während winzige ölige Bläschen aus seinen Nasenlöchern stiegen. Eine Hand – ein Arm – ein Kopf. Es war ein Leichnam, noch warm, gerade erst gestorben. In seiner Verzweiflung dachte Kowinsky nicht eine Sekunde darüber nach. Er stieß sich von dem Körper ab und
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