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Huehnerhoelle

Huehnerhoelle

Titel: Huehnerhoelle
Autoren: Herbert Beckmann
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Leiche.
    Â»Wie man’s nimmt«, mischte sich auf einmal Wagner ein. Er hatte sich der Gruppe von hinten unauffällig genähert und stand jetzt neben Kuczmanik.
    Â»Was soll das heißen?«, warf Hufeland den großen Pferdekopf zu ihm herum und blitzte ihn an.
    Der Polizist setzte eine Leidensmiene auf. Sie passte zur Jahreszeit, zum Friedhof und zur Leiche wie der Unkrautstecher, der ihr im Auge steckte. »Es ist Kocks Hühnerfabrik, die so stinkt«, sagte er mit hörbar tie-fergelegter Stimme.
    Â»Hühnerfabrik?«, wiederholte Hufeland. »Was soll das sein, eine Fabrik, in der Hühner schuften?«
    Â»So ungefähr«, gab Wagner ungerührt zurück.
    Â»Eine Hühnermast, ja? Hier in Vennebeck?«
    Â»Ja. Am Ortsrand. Also gleich … na, egal.«
    Â»Nein, nicht egal, raus damit, Wagner!«
    Â»Gleich gegenüber von meinem Haus.«
    Â»Oh. Verstehe.«
    Â»Gar nichts verstehen Sie, Herr Kommissar«, erwiderte Wagner bitter. »Außerdem spielt das keine große Rolle, wo man in Vennebeck wohnt.«
    Â»Nicht?«
    Â»Nein. Weil der Gestank überall ist. In ganz Vennebeck. In jeder Ecke, wirklich überall.«
    Hufeland begriff. Eine böse Ahnung von der Dimension dieses Falls kroch in ihm hoch.
    Kevin Kuczmanik hielt seine fleischige Nase in den Wind und schnupperte theatralisch wie ein Hund. »Stimmt«, sagte er. »Riecht irgendwie nach Huhn.«

7
    Hufeland entfernte sich ein paar Schritte von der Gruppe und ließ die Szenerie auf sich wirken. Ein schwergewichtiger Unternehmer, der der ganzen Gemeinde mächtig stank, aber sicher auch mächtig Steuergelder einbrachte, lag tot auf dem Grab seiner ersten Frau. Vor dem Friedhof feierte ein Teil der Dorfbevölkerung feuchtfröhlich Totenparty. Der Mann war am Vorabend an diesem düsteren Ort ermordet worden. Anzeichen dafür, dass die Leiche hierher verschleppt worden war, sah Hufeland vorerst nicht. Wenngleich der Kiesweg irgendwelche Schleifspuren kaum würde erkennen lassen. Na, das sollte die Truppe vom Möllring aufklären.
    Kock war im feinen Zwirn gekommen, also wohl kaum zur Grabpflege. Wollte er zu einer Zeit, da kein vernünftiger Mensch den Friedhof mehr besuchte, das Andenken seiner verstorbenen Frau in aller Stille und Einsamkeit ehren? Wer das glaubte, wurde nicht nur selig, sondern ohne Umweg gleich heiliggesprochen. Was also wollte der Unternehmer um diese Zeit an diesem Ort?
    Hufeland blickte sich um. Die Menschenmenge vor dem Friedhof feierte immer lauter, fröhliches Wortgeklingel und helle Lachfahnen wehten zu ihm herüber. Einzelne begannen regelrecht zu krakeelen, der Schnaps tat seine Wirkung. Jetzt stimmten sie sogar ein Lied an (»Le coq est mort, le coq est mort …«), und sangen es in einem schrillen, mehrsprachigen Kanon: »The cock is dead, the cock is dead …«
    Hufeland blickte in den Himmel, tief hängende, grauschwarze Wolken zogen träge über den Friedhof hinweg. Die Spitze der backsteinernen Dorfkirche drüben war von ihnen verhüllt wie ein Berggipfel in den Alpen. Die johlende Menge vorn, das war klar, wünschte dem Toten, dass er in die entgegengesetzte Richtung hinabfuhr, mit einer Fahrkarte direkt in die Hölle.
    Hufeland rief Kuczmanik zu sich. Sein Azubi hatte Wagner und Möllring jetzt lang genug unterhalten. Alle drei lachten. Kevin am lautesten. Nerven hatte der Bursche, keine zwei Meter neben dem Leichenfundort, das musste man ihm lassen.
    Â»Ja, Herr Hufe …?«
    Â»Ist eigentlich die Frau des Toten benachrichtigt worden?«
    Kuczmanik zuckte die Achseln. Ein Knopf an seinem Hemd, der zwischen den Brüsten, spannte gefährlich.
    Â»Wagner!«, rief Hufeland nun auch den Dorfpolizisten zu sich. Das Grienen über Kevins Witz oder Anekdote stand ihm noch im Gesicht. »Weiß Frau Kock, dass ihr Mann tot ist?«
    Â»Ja, natürlich«, nickte Wagner und wischte sich den Spaß von der Backe. »Hab sie gleich heute Morgen informiert.«
    Â»Wie?«
    Â»Was?«
    Â» Wie haben Sie sie informiert? Persönlich, per Telefon?«
    Â»Handy.«
    Â»Und wie war ihre Reaktion?«
    Â»Danke, Jochen.«
    Â»Wie bitte?«
    Â»Das hat sie gesagt: Danke, Jochen. Nichts weiter. Ich hab ihr geraten, nicht herzukommen. Kein schöner Anblick und so, hab ich gesagt. – Falsch?«, setzte er ein wenig mokant hinzu.
    Hufeland überhörte das.
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