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Huehnerhoelle

Huehnerhoelle

Titel: Huehnerhoelle
Autoren: Herbert Beckmann
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»Was würden Sie sagen, wie sie’s aufgenommen hat?«
    Â»Na ja, wie immer.«
    Â»Und das heißt?«
    Â»Professionell, würde ich sagen.«
    Â»Professionell?« Hufeland begann allmählich am Gesundheitszustand des Örtlichen zu zweifeln.
    Â»Ja. Die Silke, also die zweite Frau vom Kock, ist ja seine Geschäftsführerin im Betrieb. Und immer professionell, wie man hört.«
    Â»Und das heißt ins Deutsche übersetzt?«
    Wagner zog abschätzig die Mundwinkel nach unten. Jetzt kam endlich die Wahrheit. »Kalt wie ein Eisblock«, sagte er mit einer Art gebremstem Beben in der Stimme.
    Hufeland blickte Kuczmanik an. »Wir fahren hin, Kevin.« Und zu Wagner: »Sie fahren bitte vor und zeigen uns den Weg zu der Dame!«
    Kuczmanik legte verwundert Protest ein: »Aber Sie haben doch sicher ein Navi, Herr Hufeland.«
    Â»Richtig«, sagte Hufeland. »Das Navi heißt Wagner und ist Polizeiobermeister in Vennebeck.«
    Wagner zuckte ergeben die Achseln und wandte sich bereits zum Gehen.
    Plötzlich fiel Hufeland etwas auf. »Wo ist eigentlich die Presse?«, wunderte er sich. »Das müsste doch eine Riesenstory für die Region hier sein.«
    Â»War schon da«, antwortete Wagner lahm.
    Â»Die Presse war schon da? Hier am Tatort? Wann?«
    Â»Na ja, bevor Sie alle herkamen.«
    Â»Sie meinen, die Presse war früher am Tatort als wir von der Kripo?«
    Der Polizist wurde rot unter seiner Mütze, wie ein Fischallergiker, der soeben einen Scampibissen im grünen Salat erwischt hat.
    Â»Haben Sie die Presse etwa verständigt, Wagner?«
    Wagner schüttelte heftig den Kopf und wedelte mit dem Otterschwanz. »War ja nur unser Leich … ähm, also der Teichwart von der WUZ. Der wohnt hier im Ort. Der hat das spitzgekriegt, dass am Friedhof was passiert ist.«
    Â»Wieso?«
    Wagner machte eine knappe Handbewegung seitwärts. »Teichwart wohnt schräg gegenüber der Leichenhalle.« Er lachte plötzlich auf wie ein Schulkind, das sich nicht mehr zusammenreißen kann. »Deshalb wird er in Vennebeck auch unser Leichwart genannt, ch-ch.«
    Â»Leichwart«, wiederholte Hufeland trocken. »Lustig, wirklich.«

8
    Hufeland ließ Kevin Kuczmanik in seinen Touran einsteigen und folgte Wagner, der im Einsatzwagen voranfuhr. Um ein Haar hätte er die Lüftung eingeschaltet, weil es auch im Wagen nach Leiche stank, Hühnerleiche, hoch konzentriert. Stimmte schon, was Wagner gesagt hatte, der Gestank war einfach überall, jeder Kubikmillimeter Luft in Vennebeck war verpestet.
    Sie umkurvten den Roibos-Rasen der Leichenhalle. Gleich darauf kamen sie an einem großen roten Backsteinbau vorbei. Ein riesiges Schild verriet seinen Namen: Alten- und Pflegeheim St. Johannes. »Die haben’s nicht weit zum Friedhof, die Alten«, feixte Kevin.
    Sie hielten sich danach rechts, entfernten sich in westlicher Richtung etwas vom Ortskern. Sofern man darunter die Dorfkirche in typischer Backsteingotik verstand, ringförmig umlagert von zwei, drei Kneipen, einem Bekleidungsgeschäft, einem Supermarkt und einer Tankstelle.
    Â»Schauen Sie mal dort, Herr Hufeland!«, rief Kevin Kuczmanik plötzlich amüsiert. Er wies mit beiden Kinnen auf ein Wohnhaus, an dem sie vorbeifuhren. In dem handtuchschmalen Vorgarten war ein kleiner Galgen aufgebaut. An seinem Strick hing mit elendig langem Hals ein Huhn. Ein magerer Gummiadler, wie man ihn in der Zoohandlung als Spielzeug für Hunde kaufen konnte.
    Auf dem weiteren Weg zur Witwe Kock zählte Kevin insgesamt dreiundfünfzig gehängte Hühner an Hauswänden und in Vorgärten. Sie variierten in Größe, Form und Farbe, und manche von ihnen sahen so täuschend echt aus, dass Hufeland sich fragte, ob es sich wirklich um Gummihühner handelte. Oft waren die Gehenkten flankiert von Protestschildern. In fettschwarzer Schrift sprangen einen die Wörter: Viren , Bakterien , Keime an. Sie waren demonstrativ mit blutroter Farbe durchgestrichen.
    Und immer wieder tauchte die Vokabel Hühnerhölle auf.
    Â»Kevin«, seufzte Hufeland. »Eines kann ich dir versprechen, dieser Fall wird eine ganz harte Nuss.«
    Â»Wieso?« Kuczmanik warf ihm einen verständnislosen Blick aus seinen blauen Kulleraugen zu.
    Â»Weil hier jeder einzelne Bewohner, jeder verdammte Vennebecker, ein Motiv hatte, den Kock umzubringen. Ich selbst hätte eins,
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