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Hüftkreisen mit Nancy

Hüftkreisen mit Nancy

Titel: Hüftkreisen mit Nancy
Autoren: Stefan Schwarz
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öligen Gegner zu Boden warfen, damit Terrorexperten zweier Fraktionen ihre Köpfe schütteln konnten. «Wenn du jetzt gehst, Max, brauchst du nicht wiederkommen.»
    Ich hatte gewusst, dass sie so etwas sagen würde, aber ich musste gehen. Die Welt war voller Männer, die nicht gegangen waren und die am Ende wussten, dass sie hätten gehen sollen.
    «Wenn du mich jetzt gehen lässt, Dorit, werde ich immer wiederkommen.»
    Dorit schüttelte nur den Kopf.
    Ich sagte: «Na ja, also dann!», und ging. Auf der Treppe hatte ich plötzlich Schuldgefühle, schlimm wie Magenkrämpfe. Sollte ich Nancy jetzt absagen? Kann nicht kommen. Habe Schuldgefühle! Das hätte Dorit gerne. Ich ging über den Hof zum Auto, schloss auf, kehrte aber plötzlich wieder um, marschierte an der Haustür vorbei direkt auf die Mülltonnen zu und trat drei fette Dellen hinein. Schuldgefühl eins, Schuldgefühl zwei und – nochmal volle Pulle   – Schuldgefühl drei. Gut, dass ich auf die schmusigen Bullenhodenlederstiefel verzichtet hatte, sonst wären meine Zehen platt gewesen, aber mit den Wolfskin-Tretern ging es glimpflich ab. Dann konnte ich fahren, und nach einer Weile sogar hinterm Lenkrad pfeifen, auch wenn es ein bisschen nüchtern klang.

21
    Es war eine halbe Stunde vor Mitternacht, als ich mit Nancy die Wiegand’sche Fabrik betrat.
    «Oah, cool», sagte sie und sah sich um. Die riesige, gusseiserne Treppe, die Granitstufen, der geflügelte Hermes auf der Wand.
    Ich ging in den Raum unter der Treppe und legte den ersten, gefährlich nach Starkstrom brummenden Schalter um. Im Haus rührte sich nichts. Erst beim dritten Schalter rumpelte weiter hinten etwas los. Wir stiegen in den zweiten Stock und durchquerten die leere Fabrikhalle. Ich trug die zwei großen Koffer, in denen Nancy ihr Zeug verstaut hatte.Sie stolperte über einen Eisenbügel und hielt sich an mir fest, dass es mich bald selbst umriss. Wir kicherten. Nancy fragte flüsternd, wie ich auf diesen abgefahrenen Ort gekommen wäre, und ich antwortete, ich wollte eben nichts von der Stange. Nancy flüsterte, dass ich wohl die totale Wundertüte wäre und da täten sich ja Abgründe auf, «aber hallo», und dann kicherte sie wieder und flüsterte, wenn sie das gewusst hätte   …
    «Du musst nicht flüstern», sagte ich. «Wir sind allein.»
    Nancy wedelte mit den Händen neben ihrem Kopf und machte «Huhu!». Ich erzählte ein bisschen von der Wiegand’schen Fabrik und wie ich drauf gekommen war. Vor dem Paternoster stellte ich die Koffer ab und holte die beiden Baulampen vor, die hinter dem Schacht standen. Die Lichtkegel erhellten die grünen Kabinen, die gemächlich rumpelnd vorbeizogen.
    «Möchtest du lieber fahren, oder soll ich fahren?»
    Nancy sah mich an, und das grelle Seitenlicht sprenkelte Bernsteinreflexe auf die Iris ihrer Augen.
    «Ich fahre. Das ist lustiger. Du sitzt und genießt die Show.»
    Wir fuhren zurück ins Erdgeschoss. Ich machte ihr mit einer Baulampe Licht, damit sie sich umkleiden konnte, und fuhr wieder nach oben. Holte mir einen alten, fleckigen Holzstuhl und setzte mich in fünf Metern Abstand vor den Paternoster. Nach einer Weile erschien eine Kabine, an deren Decke mit Gaffertape eine kleine Discokugel geklebt war. Ich klatschte. Nancy rief von unten, dass ich doof sei und dass es gleich losgehe. Dann hörte ich Musik.
    Ein neues Mal kam die Kabine mit der Discokugel hochgefahren, und diesmal stand Nancy drin. Sie hielt ein rotesSeidentuch vor sich ausgebreitet, das sie langsam senkte, und zwar so, dass die obere Kante des Tuchs beinahe mit dem oberen Ende des Ausstiegs abschloss. Man konnte nur durch einen Spalt sehen, durch den es hin und wieder glitzerte. Sie juchzte kokett. Ich grinste und schlug vergnügt die Beine übereinander. Die Musik, die aus einem Ghettoblaster zu ihren Füßen kam, stieg nach oben, lief um, und dann näherte sie sich wieder aus der Höhe. Als die Kabine sich in mein Blickfeld senkte, stand Nancy da in einer gold-grünen, steifen Korsage, die ihren Körper an einigen Stelle problematisch zusammenquetschte, und wellte zwischen den Wänden hin und her, stieß sich ab und walzte mit dem Becken, dass die Welt sich mit Schwung und Bedeutung füllte. Ich johlte, klatschte und trampelte. Nancy verschwand mit einem Blick über die Schulter, der einen heftigen Schluckreflex bei mir auslöste. Ich holte das Päckchen Zichten aus der Jackentasche und zündete mir eine an. Ach, Krebs. Jetzt stieg Nancy mit zwei Fächern
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