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Hotel

Hotel

Titel: Hotel
Autoren: Arthur Hailey
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Mutter, fröhlich und aufgeregt und geschmückt mit einer Orchidee, die eine Freundin ihr zum Abschied übersandt hatte; ihren Vater, entspannt und herzlich zufrieden darüber, daß die wirklichen und eingebildeten Leiden seiner Patienten einen Monat lang jemand anderen in Trab halten würden. Er hatte seine Pfeife am Schuh ausgeklopft, als die Maschine ausgerufen wurde. Babs, ihre ältere Schwester, hatte Christine umarmt; und sogar Tony, die zwei Jahre jünger und öffentlichen Gefühlsergüssen abgeneigt, ließ sich gnädig küssen.
    »Auf Wiedersehen, Stubbs!« hatten Babs und Tony gerufen, und Christine hatte über den alten kindischen Spitznamen gelächelt. Und alle hatten versprochen, ihr zu schreiben, obwohl sie zwei Wochen später, nach Semesterschluß, in Paris wieder mit ihnen zusammentreffen sollte. Ganz zum Schluß hatte ihre Mutter sie fest an sich gedrückt und gesagt, sie solle gut auf sich achtgeben. Dann war die große Düsenmaschine zur Startbahn gerollt und hatte sich mit Dröhnen majestätisch vom Boden abgehoben. Aber sie hatte noch nicht richtig an Höhe gewonnen, da sackte sie mit einem herabhängenden Flügel ab, wurde zu einem wirbelnden purzelnden Katharinenrad, dann einen Moment lang zu einer Staubwolke, flammte auf wie eine brennende Fackel und war endlich nur noch ein Haufen weitverstreuter Trümmer – von Metallteilen und menschlichen Überresten.
    Das war vor fünf Jahren. Einige Wochen nach dem Unglück hatte sie Wisconsin verlassen und war nie mehr dorthin zurückgekehrt.
    Christine und der Boy gingen den Korridor entlang, und der dicke Läufer dämpfte das Geräusch ihrer Schritte. Jimmy Duckworth dachte laut nach. »Nummer 1439 … das ist doch der alte Herr … Mr. Wells. Vor ein paar Tagen haben wir ihn aus einem Eckzimmer dahin umquartiert.«
    Einige Meter weiter unten öffnete sich eine Tür, und ein gutgekleideter Mann, Mitte der Vierzig, trat auf den Korridor. Er machte die Tür hinter sich zu und war im Begriff, den Schlüssel einzustecken, zögerte aber, als er Christine erblickte und musterte sie mit unverhohlenem Interesse. Als er zum Sprechen ansetzte, schüttelte der Boy fast unmerklich den Kopf. Christine, der das stumme Gebärdenspiel nicht entgangen war, dachte, daß sie sich eigentlich geschmeichelt fühlen müßte, für ein Callgirl gehalten zu werden. Sie wußte vom Hörensagen, daß sich unter Herbie Chandlers Damenflor einige außerordentlich schöne Mädchen befanden.
    Im Weitergehen fragte sie: »Warum hat man Mr. Wells umquartiert?«
    »Wie ich gehört hab’, Miss, hat der Gast, der die Nummer 1439 vorher hatte, Krach geschlagen, und da haben sie die Zimmer einfach ausgetauscht.«
    Christine erinnerte sich nun wieder an die Nummer 1439; es hatte schon öfter Beschwerden über dieses Zimmer gegeben. Es lag unmittelbar neben dem Personalaufzug und war anscheinend Treffpunkt sämtlicher Rohrleitungen. Infolgedessen war es sehr laut und unerträglich heiß. Fast in jedem Hotel gab es mindestens einen solchen Raum – bei manchen hieß er die Folterkammer –, und im allgemeinen wurde er nur dann vermietet, wenn das Hotel bis zum letzten Platz belegt war.
    »Wenn Mr. Wells ein besseres Zimmer hatte, warum hat man ihn dann gebeten, umzuziehen?«
    Der Boy zuckte mit den Schultern. »Danach sollten Sie lieber die Burschen am Empfang fragen.«
    Sie gab nicht nach. »Aber Sie haben sich doch sicher Ihre Gedanken gemacht.«
    »Tjah, also ich glaube, es liegt daran, weil er sich nie beschwert. Der alte Herr kommt seit Jahren her und hat noch nie auch nur einen Mucks gesagt. Und es gibt welche, die scheinen sich ‘nen Spaß daraus zu machen.« Christine preßte ärgerlich die Lippen zusammen, als Jimmy hinzufügte: »In der Küche hab’ ich gehört, daß sie ihm unten im Speiserestaurant den Tisch direkt neben der Küchentür angewiesen haben, den sonst niemand haben will. Dem macht’s ja nichts aus, sagen sie.«
    Morgen früh würde es einigen Leuten sehr viel ausmachen; dafür würde sie sorgen, dachte Christine grimmig. Als sie sich vorstellte, wie schäbig ein Stammgast, nur weil er ein ruhiger friedlicher Mensch war, behandelt worden war, spürte sie, wie es in ihr kochte. Und wenn schon! Ihre Temperamentsausbrüche waren im Hotel nicht unbekannt; einige schrieben sie, wie sie gut wußte, ihrem roten Haar zu. Im allgemeinen nahm sie sich sehr zusammen. Aber gelegentlich hatte ein solches Donnerwetter auch seinen Wert, weil es die Säumigen zum Handeln
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