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Hotel Pastis

Hotel Pastis

Titel: Hotel Pastis
Autoren: Peter Mayle
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größer als je zuvor. Das Schicksal mußte ihm wohlgesonnen gewesen sein seit jenen alten Tagen, obwohl er eigentlich nie direkt dünn gewesen war.
    »He, General!«
    Der andere fuchtelte mit dem Croissant in der Luft herum. »Salut, Jojo. Ça va?«
    Sie schüttelten sich die Hände und traten einen Schritt zurück. Lächelnd nahmen sie sich gegenseitig unter die Lupe. »Wie lang ist es jetzt her? Zwei Jahre?«
    »Länger.« Der Dicke lachte. »Du bist nicht gerade gewachsen.« Er biß in sein Croissant und wischte sich mit dem Handrücken die goldfarbenen Krümel aus dem Schnurrbart — diese Hand, dachte Jojo, hat seit Jahren keine schwere Arbeit mehr verrichtet, was man von seinen eigenen, mit Wunden übersäten Fingern und rauhen Handflächen nicht gerade behaupten konnte.
    »Was ist, sollen wir den ganzen Tag hier stehen bleiben?« Der General schlug Jojo auf den Rücken. »Na, komm schon, ich gebe dir einen aus.«
    »Noch zwei Sekunden«, erwiderte Jojo. »Ich will dir erst was zeigen.« Er packte den General am Arm und führte ihn hinüber zu der Steinmauer. »Sieh mal, dort drüben.« Er nickte hinunter auf das dahinplätschernde Wasser. »Auf der anderen Seite.«
    Am gegenüberliegenden Ufer ragte ein Bogen aus Stein einen halben Meter aus dem Wasser heraus. Der Stein war trocken und sauber; offensichtlich war das Wasser seit Jahren nicht mehr so hoch gestiegen.
    Der General musterte den Bogen, dann warf er die letzten Brösel des Croissants ins Wasser und sah zu, wie sich zwei Enten darum stritten. »Na und?« meinte er. »Vor hundert Jahren hat wohl irgendein con die Tür an die falsche Stelle gesetzt.«
    »Glaubst du?« Jojo zwinkerte ihm zu und tippte sich an den Nasenflügel. »Vielleicht auch nicht. Deshalb habe ich dich angerufen. Allez. Gehen wir was trinken.«
    Während sie sich in Richtung Stadtmitte aufmachten, berichteten sie sich kurz gegenseitig über ihr Leben seit ihrer Entlassung aus Les Baumettes, dem Marseiller Gefängnis. Sie hatten sich damals sehr nahe gestanden, sie und eine Handvoll anderer kleiner Ganoven aus der Umgebung, denen zur selben Zeit das Glück untreu geworden war. Jojos Frau hatte ihn verlassen, während er saß, und war mit einem Pernod-Vertreter irgendwohin in den Norden gezogen. Jetzt lebte er in einer Zweizimmerwohnung in Cavaillon und schuftete wie ein Esel für einen maçon, der sich auf die Restaurierung alter Häuser spezialisiert hatte. Eine Arbeit für junge Männer. Und er war nicht mehr jung, aber was konnte er schon tun, außer jede Woche Lotterielose kaufen und zu Gott beten, daß sein Kreuz nicht schlappmachte?
    Der General zeigte Mitgefühl, ein Mitgefühl, das vor allem Erleichterung darüber war, daß es anderen noch schlechter ging als einem selbst. Der General hatte Glück gehabt. Nicht nur, daß seine Frau bei ihm geblieben war; seine Schwiegermutter war gestorben, und das Geld, das sie hinterlassen hatte, hatte gereicht, ein kleines Pizzarestaurant in Cheval-Blanc zu kaufen. Nichts Aufregendes, aber eine stetige Einnahmequelle, und man hatte während der Arbeit zu essen und zu trinken. Dabei lachte der General und rieb sich den Bauch. Das Leben konnte schlimmer sein. Seine Frau bewachte zwar mit strengem Blick die Kasse, aber sonst konnte er nicht klagen.
    Sie fanden einen Tisch im Schatten der Platanen vor dem Café de France gegenüber der alten Kirche.
    »Was möchtest du trinken?« Der General nahm seine Sonnenbrille ab und winkte damit dem Kellner.
    »Pastis. Aber auf keinen Fall Pernod.«
    Jojo sah sich um und rückte seinen Stuhl näher an den des Generals heran. »Ich will dir erklären, warum ich dich angerufen habe.« Er sprach ruhig und beobachtete dabei die Leute. Wenn jemand nah an ihrem Tisch vorbeiging, senkte er jedesmal die Stimme.
    »Mein patron hat einen alten Freund, der flic war, bis er Schwierigkeiten bekam und sie ihn rausgeschmissen haben. Jetzt hat er sich in der Sicherheitsbranche selbständig gemacht, verkauft Alarmsysteme an all die Leute, die hier unten ein Ferienhaus haben. Denen kommt’s auf ein paar Sous nicht an, und sie werden nervös, wenn man ihnen erzählt, daß es jeden Winter Einbrüche gibt, weil die Häuser leerstehen. Bei jedem Haus, an dem wir arbeiten, sagt der patrón dem Besitzer, daß es im Vaucluse mehr Einbrecher als Bäcker gibt, und dann empfiehlt er ihnen seinen copain. Und wenn der Besitzer eine Alarmanlage installieren läßt, kriegt der patrón einen Umschlag.« Jojo rieb Daumen und Zeigefinger
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