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Hotel Pastis

Hotel Pastis

Titel: Hotel Pastis
Autoren: Peter Mayle
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müssen, wenn nicht auf der Stelle etwas dagegen unternommen wird.< Jämmerlich. Nun, das wissen Sie ja besser als ich. Sie sind wie kleine Kinder.«
    »Ich dachte, Sie wollten nicht zulassen, daß sie das Essen verderben?«
    Doch Ernest fuhr fort, als ob er ihn nicht gehört hätte. »Und noch etwas. Urlaub. Es gibt dreihundert Leute in der Firma, und nur einer von ihnen hatte dieses Jahr keinen.« Er griff nach der Karaffe. »Ein Glas Wein, wenn Sie erraten, um wen es sich handelt.«
    Simon hielt ihm das Glas entgegen. »Um mich.«
    »Um Sie. Kein Wunder, daß Sie so spitz aus der Wäsche schauen.«
    Simon erinnerte sich an sein Spiegelbild im Badezimmer. Wann hatte er sich das letzte Mal ein paar Tage frei genommen? Es mußte beinahe schon zwei Jahre her sein, als Caroline und er sich noch vorgemacht hatten, daß sie eine Ehe führten. Er war damals froh gewesen, wieder ins Büro zu kommen. Jetzt räumte Ernest die Teller ab und stellte den Käse auf den Tisch. »Vielleicht liegt es am Wein, daß ich so rede«, meinte er, »und Sie können mich auch einen alten Nörgler nennen, wenn Sie Lust haben, das stört mich nicht. Aber Sie brauchen Urlaub.« Dabei machte er sich an der Käseplatte zu schaffen. »Von jedem ein Stückchen?«
    »Ich weiß nicht so recht, Ern. Im Moment ist eine Menge am Laufen.«
    »Übergeben Sie Jordan das Ruder. Er wird begeistert sein. Dann kann er Ihren Parkplatz benutzen.« Ernest stellte den Käse vor Simon. »Bitte. Nehmen Sie ein Häppchen Brillat-Savarin, schließen Sie die Augen und denken Sie an Frankreich. Sie haben doch immer erzählt, wie sehr Sie es lieben. Nehmen Sie einen Wagen und fahren Sie in den Süden.« Er legte den Kopf schief und lächelte Simon an. »Sie wissen doch, was man über Leute sagt, die immer nur arbeiten und nie ans Vergnügen denken?«
    »Ja, Ern. Sie werden reich.« Dann nahm Simon einen Bissen Käse, und das Bild des Südens tauchte vor seinem geistigen Auge auf. Der warme, verführerische Süden, mit seinem strahlend hellen Licht, der samtweichen Luft, dem lavendelfarbenen Abendhimmel. Und kein Vorstand weit und breit. »Ich muß zugeben, es ist eine verführerische Vorstellung.«
    »Na also«, sagte Ernest, als ob er gerade aus einer Auseinandersetzung als Sieger hervorgegangen wäre. »Lehnen Sie sich zurück und genießen Sie es. Dazu sind Versuchungen da.«
    Simon griff nach seinem Glas. »Vielleicht haben Sie recht.« Rund und weich entfaltete sich der Wein in seinem Mund, tröstlich und beruhigend. Er grinste Ernest an. »Okay, ich gebe nach. Nur für ein paar Tage. Warum nicht?«

2
     
     
     
    D er drahtige kleine Mann, den sie Jojo nannten, war schon früh an Ort und Stelle. Er stand an die warme Steinmauer gelehnt und blickte auf das riesige moosbewachsene Wasserrad, das sich grün schimmernd und tropfend langsam in der Sonne drehte. Hinter dem Rad konnte er den reich verzierten massigen Bau der Caisse d’Epargne erkennen, ein echtes Postkartenmotiv, das mit den raffinierten architektonischen Schnörkeln und den wuchtigen Geranienkübeln auf den Eingangsstufen eher wie die Villa eines neureichen Millionärs wirkte als eine Bank. Die Leute behaupteten, es sei die malerischste Bank der ganzen Provence und wie geschaffen für das malerische Städtchen Isle-sur-Sorgue. Laut Jojos Informationen war sie durchaus zu knacken. Es gab eine Möglichkeit hineinzukommen. Er zündete sich eine Zigarette an und sah, auf der Suche nach einem bekannten Gesicht, zu den Leuten hinüber, die über den Sonntagmorgenmarkt schlenderten. Es war Ende September und ging bereits auf die letzten Tage der Saison zu, aber das schöne Wetter hatte sie alle rausgelockt — die kräftigen, mißtrauisch blickenden Hausfrauen mit ihren bauchigen Körben, die Araber, die ihr Mittagessen lebend direkt aus den Hühnerställen kauften, die Touristen mit ihrer geröteten Haut und den bunten Urlaubskleidern. Langsam und mit auf dem Pflaster klappernden Absätzen bewegten sich die Leute vorwärts und wurden immer wieder auf die Straße gedrängt. Die Autos, die durch die Stadt zu fahren versuchten, waren trotz wütendem Geschimpfe und Gehupe zum Schneckentempo gezwungen. Das könnte zum Problem werden, überlegte Jojo. Er zog ein letztes Mal an seiner Zigarette, indem er sie in der hohlen Hand nach innen drehte, eine alte Angewohnheit aus dem Gefängnis.
    Der Mann, auf den er gewartet hatte, überquerte gelassen die Straße, ein angebissenes Croissant in der Hand, sein Bauch war
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