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Hotel in Flammen

Hotel in Flammen

Titel: Hotel in Flammen
Autoren: Stefan Wolf
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und
Freizeit habt, ist selbstverständlich. Wir werden uns nicht übernehmen, nicht
wahr? Meinen Jörg habt ihr schon kennengelernt.“ Es war keine Frage. Sie
stellte es fest.
    Vier Köpfe nickten. Alles Lächeln fiel
dünn aus.
    „Habt ihr euch mit ihm vertragen?“
fragte Isa — und zeigte eine klägliche Miene.
    „Es wäre verheuchelt, wenn uns jetzt
Schmalz von den Lippen tropfte“, sagte Tim. „Von Vertragen kann keine Rede
sein. Nur der Streit wurde vertagt. Aber er ist vorprogrammiert ( festgelegt ).
Selbstverständlich werden wir alles tun, um Keilerei im Keim zu ersticken.“
    Für einen Moment schien Isas Gesicht
einzusinken. Sie nickte. „Ich habe Kummer mit ihm“, sagte sie. „Er wird immer
schwieriger. Vielleicht leidet er innerlich unter der besonderen Situation. Ich
habe ihm freigestellt, zu seinem Vater zu ziehen. Jetzt, da er volljährig ist,
könnte er. Aber er will nicht. Und sehr begeistert wäre mein geschiedener Mann
sicherlich auch nicht. Er lebt hier am Ort. Zusammen mit einer anderen Frau.
Naja, das soll euch nicht interessieren.“
    „Uns interessiert alles“, widersprach
Tim, „was die Familie betrifft.“
    Isabel lächelte. „Jörg hat auch seine
guten Seiten.“
    Wer hat die nicht, dachte Tim. Fürst
Dracula war als Kind ein wonniges Kerlchen, Idi Amin (afrikanischer
Gewaltherrscher) konnte Fußball spielen, und die blutigen
Nah-Ost-Terroristen schenken ihren Bräuten Blumen. Stop! Die Vergleiche hinken.
Jörg ist nur ein muffiger Fuzzi.
    „Was die Hotelszene hier betrifft“,
wechselte Isa das Thema, „muß ich euch rasch erklären, was läuft. Sicherlich
habt ihr’s schon in der Presse gelesen. Auch heute war’s wieder ein Thema:
,Hotelkrieg in Neuzell. Kampf um jeden Gast.’ Genau so ist es. Das Weekend will
und wird uns das Wasser abgraben. Die haben sich verspekuliert, als sie ihren
Riesenkasten hochzogen und den Markt nicht ausreichend erforschten. Das heißt,
sie merken erst jetzt, daß die Gästezahl nicht für alle reicht. Um ihr teures
Hotel nicht gleich zur Pleite-Ruine verkommen zu lassen, fangen die Weekender
uns anderen Hoteliers die Gäste weg. Und Gäste sind leider nicht so treu, wie
man meint. Sie lassen sich verlocken vom größeren, besseren Angebot. Was ja
nicht verwerflich ist. Das heißt nun, die neun ortsansässigen, kleinen Hotels
sind vom Weekend bedroht. Weil der Hotelkonzern über enorme geldliche Mittel
verfügt, kann das Weekend unsere Preise unterbieten, andererseits zahlt es den
Hotelfachkräften höheren Lohn. Deshalb herrscht also hinter den Kulissen eine
Art Kriegszustand. Die neun einheimischen Hotels waren untereinander nicht
gerade in Liebe verbunden. Futterneid und Mißgunst haben immer das Klima
bestimmt. Wie überall, wo es um Geld geht. Aber jetzt sind wir zu einer
Notgemeinschaft zusammengerückt. Wir neun gegen das Weekend. So sieht es aus.
Aber das heißt gar nichts. Denn was sollen wir machen? Wir sind am kürzeren
Hebel, in der schlechteren Lage. Ich versuche mich rauszuhalten. Aber die
Kollegen schäumen vor Wut und schmieden heimlich Attentats-Pläne. Ist Humbug.
Und hilft nur, um irgendwie Dampf abzulassen. Besonders Fritz Maier, dem das
Bellevue gehört, und Paul Terzhaber vom Roten Schwan — die beiden würden das
Weekend am liebsten in Schutt und Asche legen. Oder den Paletti umbringen.“
    „Wen?“ fragte Tim.
    „Graf Paletti. Er ist der
Weekend-Manager.“
    „Also der feindliche Oberbefehlshaber.“
    „Könnte man sagen. Albert von Paletti
ist ein bißchen degeneriert ( verkümmert ), aber rücksichtslos und
gewieft.“
    Miese Lage! dachte Tim. Und im
Neuner-Club ist wohl bald keine Power mehr.
    „Einige deiner Kollegen, Tante Isa“,
sagte Gaby, „werden sicherlich den Bach runtergehen. Du nicht. Der Erlenhof ist
viel zu schön, und eine Gastronomin ( Gastwirtin ) wie du — das muß doch
die Gäste begeistern.“
    „Hoffentlich“, lächelte Isa.
    „Gibt’s hier eigentlich Erlen?“ fragte
Klößchen. „Ich habe keine gesehen.“
    „Doch, doch. Sie stehen am Waldrand.“
    Jörg kam herein, ohne anzuklopfen, aber
mit schiefem Lächeln um die Wulstlippen.
    Seltsamer Gang, den der drauf hat,
dachte Tim, als wären seine wichtigsten Gelenke aus Sülze.
    Tatsächlich bewegte sich der 18jährige
in einem wiegenden Schaukelschritt, mit rollenden Schultern, Schlenkerarmen und
Kugellager-Genick.
    Offensichtlich sollte das zeigen, wie
lässig er war.
    Wieder steckte ihm ein Glimmstäbchen im
Mundwinkel.
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