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Hotel in Flammen

Hotel in Flammen

Titel: Hotel in Flammen
Autoren: Stefan Wolf
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nicht
untermauert. Denn der Kuchen reicht nicht für alle. Was Tante Isa am Telefon
sagte, ist dies: Die berühmte amerikanische Hotelkette Weekend (‘ Wochenende )
hat einen riesigen Gästeschuppen in Bad Neuzell gebaut: ein Super-Hotel mit
allem Drum und Dran. Weil die Weekender natürlich die Nase im Wind haben und
checken, daß dort was zu holen ist. Das Hotel heißt Weekend und fängt alle
Gäste für sich ein. Für die anderen, viel kleineren Hotels, bleiben keine
übrig. Jedenfalls nicht genug. Das meinte ich mit Kuchen. Aber das ist noch
nicht das Schlimmste.“
    „Noch schlimmer?“ Tim hob die Brauen.
    „Viel schlimmer“, fuhr sie fort. „Das
Weekend-Hotel zieht nämlich alle Arbeitskräfte an sich. In der Hotelbranche
sind gute Leute knapp. Weil der Arbeitstag so lang ist, gibt’s die nicht so
haufenweise wie Lehrer, Zahnärzte oder Maurer. Außerdem müssen die
Hotelfachkräfte immer gerade dann ranklotzen, wenn andere Leute frei haben und
feiern: abends, an Wochenenden, sonntags. Die Weekend-Hotelkette hat Geld, kann
also mehr bezahlen als die einheimischen Hoteliers. So kommt es, daß alle beim
Weekend jobben: Kellner, Zimmermädchen, Portiers, Köche, Hausdiener, Pagen.
Tante Isas ERLENHOF — so heißt ihr Hotel — leidet unter Personalmangel. Deshalb
ruft sie — sozusagen — um Hilfe.“
    „Eine Küche ohne Köche“, meinte
Klößchen, „stelle ich mir schrecklich vor.“
    „Es hat längst geläutet“, fiel ihm Tim
ins Wort. „Wir müssen rein.“
    Alle wandten sich dem Hauptportal zu.
    „Jedenfalls“, sagte Gaby, „lasse ich
Tante Isa nicht im Stich. Trotz Stiefsohn Jörg.“
    „Was meinst du damit?“ forschte Tim.
    „Ich habe mich entschlossen, ihr zu
helfen. Übermorgen fahre ich nach Bad Neuzell. Für mindestens eine Woche wohne
ich im Erlenhof. Aber nicht als Gast, sondern als Zimmermädchen, Büro- und
Küchenhilfe. Was so anfällt. Wenn’s sein muß, schleppe ich auch Koffer.“
    „Ouuuh!“ jaulte Karl. „Da kriegt deine
Tante aber Ärger. Nach dem Jugendschutzgesetz ist es streng verboten, eine
13jährige Arbeitskraft zu beschäftigen.“
    „Weiß ich“, schmetterte Gaby ihn ab. „Wer
sagt denn was von Arbeitskraft mit Gehalt und Krankenversicherung? Ich bin die
liebe Nichte, weile besuchsweise dort und gehe ein bißchen zur Hand, wie das in
jeder Familie üblich ist. Klar?“
    „Du könntest dir das Kreuz ausrenken“,
gab Klößchen zu bedenken. „Manche Koffer sind nämlich zentnerschwer.“
    „Wenn du mit deinem Schokoladen-Vorrat
reist — dann bestimmt. Tante Isas Gäste kommen mit leichterem Gepäck.“
    „Also keine Schoko-Fans, sondern
langweilige Typen.“
    „Hach, ist er wieder putzig heute“,
sagte Gaby zu den andern.
    Tim lächelte mit der linken Mundseite.
Aber nicht über seine Freunde — vielmehr war sein Lächeln nach innen gerichtet.
    Ein Gedanke begann, sich
gedankenschnell zu formen.

2. Anreise
     
    Am ersten Ferientag fühlte sich Gaby
von drei Empfindungen hin und her gezerrt.
    Erstens war da eine knochentiefe
Traurigkeit wegen der ferienlangen Trennung von Tim. Denn der mußte ja nun in
seine entfernte Heimatstadt düsen, wo seine Mutter ihn erwartete.
    Zweitens war da eine gewisse
Verlassenheit, weil sie wegen ihrer Neuzell-Reise die geliebten Eltern, Hund
Oskar sowie ihre hier ansässigen TKKG-Freunde Karl und Klößchen zurücklassen
mußte.
    Drittens aber stellte sich ein
Hochgefühl ein: Reisefieber und die Vorfreude auf die selbstgewählte Aufgabe.
    Dennoch — als sie auf dem Hauptbahnhof
neben Gleis 22 ihren Papi umarmte, wären beinahe Tränen geflossen.
    Kommissar Glockner lächelte. „Und grüß
Isa von uns“, schärfte er seinem Goldstück zum dritten Mal ein.
    „Mache ich.“
    Oskar war mitgekommen, saß auf den
Hinterkeulen und himmelte sein Frauchen an.
    Sie streichelte ihn.
    Der Zug stand abfahrbereit.
    Während Gaby Oskar an der Leine hielt,
war Glockner schon im Abteil gewesen und hatte ihren Koffer verstaut.
    „Abteil elf“, sagte er, „Fensterplatz
Nr. 56. Das ist deine Platzreservierung. In Neuzell wirst du abgeholt. So, es
ist soweit. Einsteigen!“
    Eine letzte Umarmung — dann hüpfte Gaby
hinein.
    Alle Türen waren geschlossen, der Zug
setzte sich in Bewegung. Lautsprecherstimmen hallten unter der riesigen Kuppel
der Hauptbahnhofs-Halle.
    Gaby blieb am Fenster. Glockner winkte.
Oskar blickte traurig und hob eine Pfote, als wollte er auch winken.
    Gaby winkte, bis sie die beiden nicht
mehr sehen konnte.
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