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Horror Factory - Glutherz

Horror Factory - Glutherz

Titel: Horror Factory - Glutherz
Autoren: Oliver Buslau
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schlafen.
    Ich musste das Brummen, diese rasende Geschwindigkeit, mit der wir uns bewegten, ertragen. Und sogar hinter meinen Augenlidern waren die grellen Lichter noch zu spüren.
    Aber noch hatte man mir nichts getan.
    Ich lag auf dem Rücken. Auf einem Polster. Mein Blick ging nach oben auf das Fenster, darüber befand sich eine niedrige Decke.
    Ich hob den Kopf und erkannte eine Frau, die schräg vor mir saß, ein Rad vor sich, das sie immer wieder bewegte. Manchmal griff sie neben sich und hantierte mit etwas. Mir wurde klar, dass sie das Fahrzeug führte, in dem wir uns befanden.
    Die Frau trug etwas auf der Nase. Etwas mit schwarzen Rändern, die die Augen umgaben. Gläser.
    War ich nun in der Hand von Coppelius?
    War Coppelius eine Frau?
    Oder brachte sie mich zu ihm?
    Endlich wurde das Fahrzeug langsamer und hielt.
    Die Frau verschwand zur Seite. Kühle Luft drang herein. Das Gesicht der Frau kam in mein Gesichtsfeld.
    »Olympia?«
    Ich gab instinktiv ein leichtes Nicken von mir. Über mir reflektierte die helle Decke des Fahrzeugs das Pulsieren meines Herzens. So schnell, dass es flackerte.
    »Ganz ruhig«, sagte die Frau. »Du bist in Sicherheit. Dir wird nichts geschehen.«
    Ich versuchte etwas zu sagen, aber ich konnte nicht. Meine Muskeln wollten mir nicht gehorchen. Meine Zunge auch nicht. Wieder ein Symptom für Angst und Schrecken, das ich kennenlernte.
    Ich hörte Schritte auf knirschendem Kies. Und dann sah ich ein anderes Gesicht – das Gesicht eines Mannes, der viel jünger als Hoffmann war. Seine Züge waren kantig, die Haut glatt, sein Haar schwarz und dicht.
    »Also los, Nathan«, sagte die Frau mit der Brille, »bevor sie uns hier doch noch finden.«
    Mit einem Mal wurde ich nach hinten gezogen und in die Höhe gehoben.
    Der Regen hatte nachgelassen. Überall um uns herum tropfte das Wasser von hohen Bäumen. Im Licht einer Lampe erkannte ich eine Villa. Neben dem Eingang, dem wir uns näherten, stand links und rechts eine Säule.
    Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich noch immer die Spieluhr mit den Händen festhielt. Ich löste meine Finger, es schmerzte ein wenig, aber es gelang mir, nach der Kurbel zu tasten. Waren diese Frau und dieser Mann Freunde oder Feinde? Nathan hatte mich über seine Schulter gelegt. Nun kam ich mir tatsächlich wie eine riesige Puppe vor. Er öffnete die Tür. Innen war das Haus erleuchtet.
    Sie würden mich hineinbringen, die Tür schließen – und dann war ich in ihrer Gewalt …
    Ich drehte die Kurbel. Aber sie bewegte sich nicht. Sie klemmte. Die Spieluhr musste beim Herunterfallen kaputtgegangen sein.
    Du bist weit weg von der schützenden Dachkammer, und deine Waffe ist unbrauchbar.
    Du bist schutzlos!
*
    Nathan beförderte mich in einen Sessel. Ich konnte in einen hellen Raum blicken. In der Ecke gab es einen Kamin, in dem Flammen loderten. Alle Wände waren mit Regalen bedeckt, in denen sich die Bücher aneinanderreihten, zum Teil krumm und schief hineingestopft, zum Teil stapelten sie sich. Viele lagen sogar auf dem Parkettboden.
    Nathan schien mit meinem Abladen seine Pflicht erfüllt zu haben und ging hinaus. Für einen Moment war ich allein. Ich probierte wieder die Spieluhr, ohne Erfolg. Dann näherten sich Schritte, und die Frau, die mich hier hergebracht hatte, kam herein. Sie setzte sich in einen Sessel und sah mich stirnrunzelnd an.
    »Du bist tatsächlich Olympia«, sagte sie.
    Ich wollte etwas sagen und musste plötzlich husten. »Natürlich bin ich Olympia«, brachte ich schließlich hervor.
    »Und du lebst.«
    »Ja«, rief ich lauter. »Ich lebe, und ich werde mich gegen jeden zur Wehr setzen, der das ändern will.«
    Die Frau nickte beifällig und lehnte sich zurück. »Ganz schön mutig, das muss ich sagen. Ich hätte nie gedacht, dass du diese Charaktereigenschaft besitzt.«
    »Sie hätten es nie gedacht? Wieso nicht? Kennen Sie mich denn? Was wissen Sie überhaupt von mir?«
    Plötzlich wurden mir ein paar Dinge bewusst, die mich irritierten. Zum einen bemerkte ich, dass das Licht, das in dem Raum herrschte, mit Lampen erzeugt wurde, in denen nichts zu brennen schien. Offenbar war hinter dem Glas ein Stoff, der für eine gleichmäßige Helligkeit sorgte. Das war etwas ganz anderes als die Öl- oder Petroleumlampen, die ich kannte.
    Die ich kannte?, ging es mir durch den Kopf. Was kannte ich denn? Ich hatte keine Vergangenheit, keine Erinnerungen. Und doch hatte mir dieser Spalanzani irgendwelche Kenntnisse eingepflanzt, die ich als
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