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Horror Factory - Glutherz

Horror Factory - Glutherz

Titel: Horror Factory - Glutherz
Autoren: Oliver Buslau
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schickte die Lebensenergie durch deine Adern. Und ganz allmählich wirst du zu einem richtigen Menschen.«
    »Ganz allmählich?«, rief ich. »Aber ich bin doch jetzt schon …«
    Doktor Wilhelmina ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. »Irgendetwas hat dich in die wirkliche Welt transportiert. Ich meine, in meine Welt – in meine Zeit … Ach, wie willst du das alles verstehen …«
    Sie seufzte und sah mich eine Weile schweigend an.
    »Gib mir die Spieluhr«, sagte sie.
    »Was? Wozu? Sie ist meine Waffe, das Einzige, womit ich mich schützen kann!«
    »Sie ist kaputt. Du hast es eben selbst gesagt.«
    »Und warum wollen Sie sie haben?«
    »Nathan wird sie reparieren. Wir können dich in dieser Welt nicht schutzlos lassen. Nun gib sie schon her.«
    Ich vertraute ihr und gab ihr den Mechanismus. Einen Moment ließ sie mich allein. Ich starrte in das flackernde Feuer und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.
    Doktor Wilhelmina kam zurück, die Spieluhr in der Hand. Sie drehte die Kurbel. Die silbrige Musik erklang, aber sie hatte weiter keine Wirkung. Nichts veränderte sich in der Welt. Kein Wunder, es waren ja auch keine Feinde da. Im Grunde bewies mir die Musik, dass Doktor Wilhelmina auf meiner Seite stand.
    »Wir haben die Schnur durch eine Silberkette ersetzt«, sagte Doktor Wilhelmina. »So sieht es hübscher aus, und du kannst sie nicht so leicht verlieren.«
    »Danke.« Ich legte die feine Kette um den Hals und zeigte auf den Kamin: »Wozu gibt es eigentlich dieses Feuer im Raum, wenn es Lampen gibt, die ohne Flamme funktionieren?«
    Doktor Wilhelmina lächelte. »Du bist wirklich intelligent, Olympia. Unglaublich. Gratuliere, das war eine gute Frage.«
    »Und die Antwort?«
    »In der Zeit, in der ich lebe, braucht man kein Feuer mehr für das Licht. Aber wir finden so einen Kamin gemütlich.«
    »In der Zeit, in der Sie leben? Was heißt das?«
    Doktor Wilhelmina sah mich nachdenklich an. »Vielleicht ist es gar nicht so gut, wenn du alles weißt. Zumal ich zugeben muss, dass ich auch nicht alles erklären kann. Vielleicht hilft es, wenn wir in deine Kammer zurückkehren und du mir Spalanzanis Schriften zeigst. Ich werde sie studieren, und dann sehen wir weiter. Schau hier.«
    In einer Ecke stand ein Schreibtisch. Dort lagen Mappen aus Pappe. Doktor Wilhelmina nahm eine und schlug sie auf. »Das ist eine Forschungsarbeit von mir, die sich genau mit denselben Fragen befasst, die Spalanzani, dich und Coppelius betreffen. Das Material aus deiner Dachkammer ist Quellenmaterial, das ich sicher gut gebrauchen kann. Lass uns dorthin fahren. Vielleicht treffen wir ja sogar Hoffmann.«
    »Er ist sehr krank«, sagte ich. »Ich glaube, er hält nicht viel von Besuch.«
    Sie schien mir nicht zuzuhören: »Dichter haben schon seit jeher die Fähigkeit besessen, in die Zukunft zu blicken.« Was meinte sie damit? Ich wollte fragen, aber dann drängte sie mich: »Wir werden sehen. Komm jetzt.«
*
    Das schwarz glänzende Ding, das uns hergebracht hatte, war ein Kasten aus Metall, in den man sich hineinsetzen konnte und der sich, wenn man irgendwelche Hebel bediente, einfach in Bewegung setzte. Auch das war etwas, was nicht in meine Welt, in die Gedanken und das Wissen, das mir von Spalanzani mitgegeben worden war, zu passen schien.
    Ängstlich blieb ich auf dem weißen Kies stehen, traute mich nicht, mich hineinzusetzen.
    »Es passiert dir nichts«, sagte Doktor Wilhelmina. »Das ist die beste Art, sich zu bewegen, glaub mir.«
    Es war nicht nur dieses Gefährt, das mir Angst einjagte. Es war die Welt, in der ich mich befand. Die Atmosphäre dieser Welt. Ihr Ton, ihr Schwingen, ihr Klang und ihr Licht. Und das alles zusammen.
    Ein unablässiges Rauschen erfüllte die Luft, als besitze die Stadt ein geheimes Innenleben wie dieses schwarz glänzende Ding. Sie gab ein leises, aber unaufhörliches Brummen von sich. Dazu kam ein seltsamer Geruch. Das war keine reine Luft, die mich umgab, sondern so etwas wie Gas, wie Staub. Etwas Schmutziges. Obwohl doch alles sauber war …
    Es erfüllte mich mit einem dumpfen Grauen.
    Und dann stieg ich doch ein in dieses seltsame Kutschengefährt, das sich auch sogleich in Bewegung setzte – erst recht langsam und durchaus angenehm, doch dann kamen wir auf eine riesige Straße, wo noch viele andere dieser Fahrzeuge unterwegs waren. In allen Größen und Farben, manche mit Aufschriften versehen und seltsam beleuchtet. Es stank und brummte, heulte und knatterte.
    Vor Angst ließ ich
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