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Horror Factory - Glutherz

Horror Factory - Glutherz

Titel: Horror Factory - Glutherz
Autoren: Oliver Buslau
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trat. Was heißt schon Tür? Es war ein Portal – wie für ein Schloss gemacht.
    Ich stand in einem Foyer, in dem ein riesiger Kronleuchter von der Decke hing. Die Musik war mit einem Mal viel lauter. Ich war so ergriffen, dass ich kaum mitbekam, wie mehrere Männer in einer Art Livree auf mich zukamen und mich davon abbringen wollten, in den Theaterraum zu gehen.
    Aber warum?, rief ich – und auf einmal war mir nicht klar, ob ich es wirklich rief oder nur dachte oder ob das Ganze nicht doch nur ein Traum war. Vielleicht war ich in dem Auto von Doktor Wilhelmina eingeschlafen und träumte von meiner eigenen Welt.
    Die Männer stellten sich vor mich. Sie wollten, dass ich das Haus verließ, dabei sehnte ich mich so sehr nach der Musik und nach dem, was auf der Bühne geschah. War es ein Ballett? Oder eine Oper?
    Und kaum dachte ich wieder an Doktor Wilhelmina, da sah ich die Frau auch schon. Einer von den Theateraufsehern trat zur Seite, und da stand sie – missbilligend den Kopf schüttelnd.
    Wenn sie mich nicht durch die normale Tür in den Theatersaal ließen, musste es anders gehen. Ich rannte, fand einen Durchgang, hinter dem es viel dunkler und nüchterner aussah als in dem herrlichen Foyer. Immerhin war die Musik noch lauter geworden. Eine Treppe führte nach oben. Hinter mir erklangen Schritte. Man verfolgte mich. Sie sollten mich nicht kriegen.
    Weiter, weiter.
    Es wurde enger und enger. Die Musik leiser.
    Ich hatte einen Fehler gemacht.
    Hier sah es fast aus wie in meiner Dachkammer.
    Und als ich an eine Tür kam und sie öffnete, trat ich tatsächlich auf ein großes, leicht abgeschrägtes Dach hinaus.
    Vor mir lag im Dunkeln, nur von den Reihen der Laternen und wenigen hellen Fenstern durchsetzt, das schwarze Häusermeer der Stadt.
    Ich ging ein paar Schritte auf das Dach hinaus, tastete mich bis an die Kante, wo es sehr tief hinunter auf den stillen Platz ging. Für einen kurzen Moment sah ich mich schon dort unten liegen, mit zerschmetterten Gliedern …
    Was nun? Ich saß in der Falle.
    »Olympia, komm zurück.«
    Da war Doktor Wilhelmina. Sie stand an der Tür und winkte mir zu.
    »Wo willst du denn hin?«, rief sie.
    Ich blickte neben mich in den Abgrund, dann sah ich sie an. »Was haben Sie hier zu suchen? Sie gehören in eine andere Zeit. Nicht hierher.«
    »Du bist in einem Traum gefangen, Olympia. Die Welten und Zeiten haben sich vermischt. Aber das ist doch jetzt auch ganz gleichgültig. Komm da weg. Lass uns hinübergehen in die Dachstube. Ich weiß, wo man Spalanzani finden kann.«
    »Wie haben Sie das so plötzlich erfahren?«, rief ich. »Vorhin haben Sie es noch nicht gewusst.«
    »Ich habe mir noch mal genau Gedanken über die Aufzeichnungen gemacht, die ich gesammelt habe. Es gibt eigentlich nur eine Möglichkeit, wo sich sein Labor befinden kann.«
    Die Luft zitterte plötzlich, doch es war gar nicht die Luft, es war das Dach, auf dem ich stand. Die Oberfläche bestand aus Metall. Es begann rhythmisch zu vibrieren.
    Hinter Doktor Wilhelmina tauchte eine Gestalt auf. Zuerst dachte ich, es wäre einer der Wärter, der ihr gefolgt war. Aber dann glänzte ein Zylinder, ich erkannte den dunklen Umhang. Und dann waren es zwei, drei, fünf, acht, dreizehn …
    »Achtung«, rief ich Doktor Wilhelmina zu, doch es war zu spät. Sie kreisten sie ein, und bevor sich der schwarze Ring um sie schloss, erkannte ich das Entsetzen auf ihrem Gesicht. Unterdessen wurden es immer mehr. Aus den dreizehn wurden einundzwanzig, und aus ihnen wurden vierunddreißig, dann hörte ich auf zu zählen.
    Die Musik, die ich immer noch aus dem großen Inneren des Theaters unter mir gehört hatte, war verstummt. Wie ein fernes Echo erfüllte ein Rauschen die Luft, und dann erklang so etwas wie ein vom Hall verzerrtes Gelächter.
    Längst war Doktor Wilhelmina in der schwarzen, gesichtslosen Masse aus Zylindern und Umhängen verschwunden, und auch mich hatte der Kreis umschlossen. Instinktiv war ich vor dem Abgrund ein Stück in Richtung der Mitte des Daches ausgewichen, und sofort bildeten die Männer eine Phalanx, die sich zwischen mir und der Dachkante schloss.
    Das Rauschen über mir wurde stärker, und die Schattenköpfe ruckten in einer einzigen Bewegung nach oben. Auch ich folgte ihrem augenlosen Blick.
    Und da sah ich ihn.
    Coppelius.
    Er musste es sein.
*
    Er war gekleidet wie die Armee seiner Helfer – in Mantel, Zylinder und schwarzen Stiefeln. Er war größer als sie – mindestens doppelt so groß. Und er
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