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Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1)

Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1)

Titel: Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1)
Autoren: Anthony Horowitz
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durfte nicht daran teilnehmen. Man galt noch nicht als erwachsen genug, um mitzureden, auch wenn man erwachsen genug war, um vom Morgengrauen bis zum Einbruch der Dunkelheit zu arbeiten. Sie waren schon seltsam, diese Regeln.
    Die Tür war nicht in der Kirche, sondern dahinter. Die Kirche war von einem Friedhof voller schiefer Grabsteine umgeben, durch die ein Kiesweg führte, den ich oft als Abkürzung nutzte. Auf der anderen Seite des Friedhofs war eine ältere Kirche oder zumindest das, was von ihr übrig war. Es war nicht viel; nur ein paar bröckelnde Bögen und eine Wand mit zwei klaffenden Löchern, in denen vielleicht in grauer Vorzeit Buntglasfenster gewesen waren, und darunter befand sich eine Holztür.
    Diese Tür war schon immer sehr merkwürdig gewesen, denn sie führte nirgendwohin. Vor ihr standen ein paar Grabsteine und hinter ihr lag ein kleiner kiesbestreuter Hof, aber die Tür führte nicht in eine Sakristei oder einen Kreuzgang oder dergleichen. Es gab viele offene Fragen um die Tür, zum Beispiel: Wer hat sie gebaut und wieso? Die Ruinen waren Hunderte von Jahren alt („vormittelalterlich“, wie Miss Keyland sagte), aber die Tür sah trotzdem nicht alt aus. Ich meine, wenn sie schon seit Jahrhunderten da war, wieso war das Holz dann nicht verrottet? Ganz offensichtlich hatte sie jemand erneuert, aber Rita, die im Dorf geboren war, sagte, dass es im Laufe ihres Lebens nicht gemacht worden war, und das allein war ja schon fast ein Jahrhundert. Es war alles ziemlich merkwürdig.
    Und eines Abends Ende August öffnete sich die Tür plötzlich und ein Junge fiel heraus.
    Ich war auf dem Heimweg von den Obstgärten, wo ich Äpfel gepflückt hatte. Das war eine der Aufgaben, die ich am meisten hasste, aber um ehrlich zu sein, ist alles, was mit der Erzeugung und Lagerung von Lebensmitteln zu tun hat, harte Arbeit – und dazu eine, die sich ständig wiederholt und dementsprechend langweilig ist. Das Schlimmste an der Apfelernte? Zu wissen, dass die überreifen Golden Delicious, die man gerade eine halbe Stunde lang vom Ast geschüttelt hat, weder golden noch irgendwie lecker sind. Festzustellen, dass in einem verfaulten Kerngehäuse eine Wespe sitzt, die einen natürlich in die Hand sticht. Sich zum fünfzigsten Mal von den Brombeerranken zerkratzen zu lassen, die schon das ganze Jahr darauf warten, sich in dein Fleisch zu krallen. Den vollen Korb in der Nachmittagshitze zur Sammelstelle zu schleppen, mit Blasen an den Schultern und noch schlimmeren an den Händen. Die Endlosigkeit dieser blöden Arbeit. Mr Bantoft – Farmmanager, Abteilung Obst – hatte gesagt, dass es dieses Jahr weniger Äpfel gäbe. Den Eindruck hatte ich nicht.
    Nun, ich war müde und dreckig und dachte an nichts Besonderes, als die Tür in der alten Mauer aufging, dieser Junge herausstolperte und im Gras zusammenbrach. Er war sehr dünn, hatte lange, sehr schwarze Haare, die an der Stirn gerade abgeschnitten waren, und ich war ziemlich überrascht, weil ich ihn nicht sofort erkannte. Was aber auch daran liegen konnte, dass eine Seite seines Gesichts voller Blut war. Genau genommen liefen ihm Unmengen davon über die Wange. Es tropfte auf seine Schulter und wurde vom Hemd aufgesogen. Ich rannte auf ihn zu und blieb vor ihm stehen. Mir schlug das Herz bis zum Hals und ich biss mir auf die Fingerknöchel, wie ich es immer tue, wenn ich vor etwas Angst habe. Am meisten erschreckte es mich, dass ich diesen Jungen nie zuvor gesehen hatte. Eigentlich war es undenkbar, aber ich wusste es sofort.
    Er stammte nicht aus dem Dorf.
    Als er mich sah, wurden seine Augen so groß wie die eines Kaninchens, kurz bevor man ihm einen Pfeil durch den Hals schießt. Er war nicht so schwer verletzt, wie es zuerst den Anschein gehabt hatte. Irgendetwas musste ihn oberhalb der Schläfe am Kopf getroffen haben, denn dort hatte er eine hässliche Wunde, aber ich glaubte nicht, dass er einen Schädelbruch hatte. Er trug Hemd, Jeans und Turnschuhe und alles sah ziemlich neu aus. Er wirkte so fremd, wie ein Fremder nur wirken konnte. Er sah nicht einmal wie ein Engländer aus. Seine Augen waren so dunkel wie seine Haare. Und seine Nase und die Wangenknochen sahen auch ganz komisch aus … als wären sie aus Holz geschnitzt.
    „Wo bin ich?“, fragte er.
    „Bei der Kirche“, antwortete ich. Es war eine so merkwürdige Frage, dass ich nicht wusste, was ich sonst sagen sollte.
    „Welche Kirche? Wo steht sie?“
    „Es ist die des heiligen Botolph. Sie
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