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Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1)

Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1)

Titel: Horowitz, Anthony - Die fuenf Tore 5 - Zeitentod (Das Finale - Teil 1)
Autoren: Anthony Horowitz
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mitten am Tag Schüsse gehört, aber da ich nicht zu den Versammlungen gehen durfte, wusste ich nicht, wie viele versucht hatten, hereinzukommen, und wie viele abgewiesen oder erschossen worden waren.
    Wir Dorfbewohner konnten frei kommen und gehen. Wir hatten ein Passwort, das jeden Monat gewechselt wurde und das in der alten Bushaltestelle aushing, die noch stand, um uns an die Zeit zu erinnern, als es noch Busse gab. Das Passwort in diesem September war „Quecken“. In den Wäldern gab es immer noch massenhaft Kaninchen (obwohl es in den letzten Jahren weniger geworden waren) und wir waren angehalten, auf die Jagd zu gehen – mit Pfeil und Bogen, um Kugeln zu sparen. Ich hatte einmal einen Rehbock mit einem einzigen Pfeil durch den Hals erlegt und war danach eine Woche lang die Heldin des Dorfes gewesen. Jeder hatte etwas Nettes zu mir gesagt, aber dann waren das letzte Fitzelchen Fleisch gegessen und die Knochen zum letzten Topf Suppe ausgekocht gewesen und alles war wieder wie immer.
    Und das war es auch schon. Ein Dorf mit etwa dreihundert Einwohnern, dichtem Wald an einem Ende und einem toten Fluss am anderen. Wir waren von allem abgeschnitten. Und uns allen war bewusst, dass genau das vermutlich der Grund war, wieso wir noch lebten.
    Rita erwartete mich schon hinter der Haustür und sah mir sofort an, dass etwas nicht stimmte. Sie war spindeldürr, hatte lange silbergraue Haare und ihre Augen hatten sich tief in die Höhlen zurückgezogen. Wenn sie wütend war, sah sie aus wie eine Hexe. Aber jetzt hatte sie Angst, gab sich jedoch wie immer Mühe, es sich nicht anmerken zu lassen. Rita hielt ihre Emotionen unter Verschluss wie ihr gutes Porzellan und holte beides nur zu besonderen Anlässen heraus.
    „Was ist passiert, Hermione?“ Sie war die Einzige, die mich so nannte. „Was ist los? Wieso kommst du so spät?“
    „Ich habe jemanden getroffen …“ Ich zögerte.
    „Wen hast du getroffen?“
    „Es war ein Junge. Aber er ist nicht aus dem Dorf.“
    Sie starrte mich an. „Wie meinst du das?“
    „Er ist plötzlich bei der Kirche aufgetaucht. Er sagt, sein Name ist Jamie. Ich habe ihn vorher noch nie gesehen.“
    „Was hast du getan?“
    „Ich habe gar nichts getan. Nur mit ihm geredet.“
    Ritas Schultern sanken herunter. Das machte sie mit Absicht. Es war ihre Art, mir zu zeigen, dass sie verärgert war. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und hastete in die Küche, wo John und das vierte Mitglied unseres kleinen Haushalts – George – ihren Tee tranken.
    Über John brauche ich nicht viel zu erzählen. Er sagte fast nie etwas. Er war ein kleiner weißhaariger Mann -kleiner als Rita –, der die meiste Zeit nur dasaß und auf eine weggetretene Art vor sich hinlächelte. Er war nicht zurückgeblieben oder dumm. Er wollte einfach in nichts hineingezogen werden.
    George war ganz anders. Er war achtzehn, drei Jahre älter als ich, und wie ich hatte auch er keine Eltern mehr. Er arbeitete in der Dorfbäckerei, was man ihm ansah, denn er war ein ziemlich fleischiger Typ und immer mit einer dünnen Schicht Mehl bedeckt. Er hatte blonde Haare, die er nie kämmte, und blaue Augen. Die waren das Beste an ihm. Alle fanden, dass George nicht viel zu bieten hatte, aber ich kannte ihn besser, und wenn ich mir im ganzen Dorf jemanden suchen müsste, der auf meiner Seite war, würde ich ihn wählen.
    Wir beide waren bei Rita und John aufgewachsen wie Bruder und Schwester. George war sehr schüchtern und immer ganz verlegen, wenn ich da war. Manchmal dachte ich, dass wir einfach das Haus übernehmen und zusammenleben würden, wenn Rita und John starben … was wir vermutlich auch getan hätten, wenn es nicht ganz anders gekommen wäre.
    „Da war ein Fremder im Dorf“, verkündete Rita, nachdem ich ihr ins Zimmer gefolgt war.
    „Ein Fremder?“ John schaute von seinem Haferbrei auf – oder was immer die Pampe war, die er in sich hineinlöffelte.
    „Ich habe ihn auf dem Kirchhof gefunden“, sagte ich.
    „Wo ist er hergekommen?“
    „Ich weiß es nicht. Er war einfach da.“ Ich würde ihnen nichts von der Tür erzählen, weil das für mich immer noch keinen Sinn ergab.
    „Und wer ist er?“, fragte George. „Wie ist sein Name?“
    „Er hat gesagt, dass er Jamie heißt. Ich habe nicht viel mit ihm gesprochen. Er war einfach nur ein Junge in meinem Alter. Und er hatte einen komischen Akzent. Ich glaube, er war kein Engländer.“
    „Und du hast Alarm geschlagen?“
    Das war die große Frage. Alle
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