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Hornblower 08 - Der Kommodore

Hornblower 08 - Der Kommodore

Titel: Hornblower 08 - Der Kommodore
Autoren: C. S. Forester
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kamen die unentbehrlichen Nachschubgüter für die Seefahrt, auf die man für die Aufgaben der Seeherrschaft nicht verzichten konnte: Teer und Terpentin, Fichtenstämme für die Masten, Tauwerk und Schiffsbauholz, Harz und Leinöl. Wenn sich Schweden mit Bonaparte gegen Rußland verbündete, dann ging der schwedische Anteil an diesem Handel, das war mehr als die Hälfte, verloren, und England mußte sich mit dem Rest begnügen, den es in Finnland und Rußland zusammenkratzen konnte, immer vorausgesetzt, daß es gelang, die Ladungen der schwedischen Flotte zum Trotz sicher durch die Ostsee zu geleiten und irgendwie durch den Sund zu schaffen, obgleich Bonaparte Herr der dänischen Inseln war. Dabei brauchte Rußland selbst diese Güter dringend für die eigene Flotte und mußte auf die eine oder andere Weise dazu bestimmt werden, dennoch so viel abzulassen, wie England nötig hatte, um seine Flotte seetüchtig und einsatzbereit zu halten.
    Es erwies sich jetzt als günstig, daß England den Finnen nicht zu Hilfe geeilt war, als sie von Rußland angefallen wurden.
    Hätte man sich damals anders entschlossen, dann bestünde jetzt viel weniger Aussicht, daß Rußland Bonaparte den Krieg erklärte. Geschickte Diplomatie, die sich auf Machtmittel stützen konnte, brachte es vielleicht fertig, Schweden vor einem Bündnis mit Bonaparte zu bewahren, die Sicherheit des Ostseehandels wiederherzustellen und womöglich sogar freien Zugang zu den norddeutschen Küsten zu verschaffen, der es ermöglichte, Vorstöße gegen die Verbindungslinien Napoleons zu unternehmen. Kam zu diesem Druck noch das Wunder, daß Bonaparte einen Rückschlag erlitt, dann mochte sich sogar Preußen bereit finden, zu seinem bisherigen Gegner überzutreten. Hornblowers weitere Aufgabe bestand also darin, daß er dazu beitrug, einerseits das altüberlieferte Mißtrauen der Schweden gegen Rußland zu zerstreuen, und andererseits Preußen zum Bruch seines erzwungenen Bündnisses mit Frankreich zu ermutigen. Dabei durfte es jedoch unter keinen Umständen zu einer Gefährdung des Ostseehandels kommen.
    Ein einziger falscher Schritt konnte unabsehbares Unheil heraufbeschwören.
    Hornblower legte seine Notizen auf den Tisch und starrte mit blicklosen Augen gegen die Wand des Zimmers. Da war die Ostsee mit ihrem Nebel, ihrem Eis und ihren Untiefen, dazu die russische Flotte, die schwedische Flotte, die französischen Kaperschiffe, der Ostseehandel, das russische Bündnis und die Haltung Preußens. Es ging um hohe Politik, um lebenswichtige Handelsstraßen. In den nächsten paar Monaten standen das Schicksal Europas, die ganze Weltgeschichte auf des Messers Schneide, und er, er hatte in diesem Drama die Verantwortung.
    Hornblower fühlte, wie sein Puls rascher wurde und seine Muskeln sich spannten, die alten, wohlbekannten Erscheinungen, wenn Gefahr im Verzuge war. Fast ein Jahr war vergangen, seit er sie zum letzten Male verspürt hatte, das war damals gewesen, als er die große Admiralskajüte der Victory betrat, um das Urteil des Kriegsgerichts entgegenzunehmen, das auf Tod lauten konnte. Diese Aussicht auf Gefahren und der Gedanke an das ungeheuerliche Gewicht seiner Verantwortung bereiteten ihm ausgesprochenes Unbehagen. Derartiges hatte er sich nicht träumen lassen, als er heute mittag fröhlich und guter Dinge hier ankam, um seine Befehle entgegenzunehmen. Dafür brachte er nun Barbara und ihre Liebe zum Opfer, dafür verzichtete er auf das Leben eines Grundherrn, auf die Ruhe und den Frieden seines neugegründeten Heims.
    Aber noch während er in ratloses, fast verzweifeltes Brüten versunken an seinem Tisch saß, meldeten sich erst leise, dann immer lauter die Probleme und Aufgaben, die ihn erwarteten mit ihrem verlockenden Zauber. Die Admiralität gab ihm freie Hand, in dieser Hinsicht konnte er sich also nicht beklagen.
    Reval fror im Dezember zu, Kronstadt oft schon im November.
    Solange diese Häfen zu waren, mußte er sich einen Stützpunkt weiter südlich wählen. Wie war es mit Lübeck? Gab es dort überhaupt Eis? Jedenfalls war es am besten, wenn... Plötzlich sprang Hornblower auf und schob den Stuhl zurück.
    Wahrscheinlich wußte er gar nicht, was er tat, aber er brachte es einfach nicht zuwege, im Sitzen schöpferisch zu denken, oder höchstens so lange, wie er den Atem anhalten konnte. Dieser Vergleich war deshalb besonders treffend, weil bei ihm die Symptome einer langsamen Erstickung auftraten, wenn er einmal gezwungen war, im Sitzen
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