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Honky Tonk Pirates - Der letzte Horizont: Band 6 (German Edition)

Honky Tonk Pirates - Der letzte Horizont: Band 6 (German Edition)

Titel: Honky Tonk Pirates - Der letzte Horizont: Band 6 (German Edition)
Autoren: Joachim Masannek
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Der Schutzengel ist da. Er fährt die ganze Zeit neben uns her.«
    Er zeigte zum Bison. Dort stand Nathaniel hinter dem Steuer. Seit sieben Tagen und Nächten stand er da wie ein Fels. Er wich ihnen nicht von der Seite und er war auch nicht verrückt. Er starb nicht vor Trauer. Nein. Er starb höchstens vor Sorge um seine Freunde und deshalb riskierte er sein Leben und das seiner Crew. Er folgte dem Rochen, egal welchen Kurs die lebensmüde Hannah auch nahm. Doch mehr konnte Nat in diesen sieben Tagen nicht tun. Der Sturm trennte ihn von der Frau, die er liebte, und obwohl diese nur zwei Steinwürfe von ihm entfernt auf dem Rochen stand, konnte er nicht zu ihr.
    »Wir brauchen dich, Nat!«, rief Jo zu ihm hinüber, und dann schrie er zum Himmel. »Und wenn es dich, Gott, da oben gibt, hörst du, dann beendest du diesen verfluchten Sturm! Du beendest ihn, hörst du, sonst ist alles vorbei. Sonst geht deine verfluchte Welt elendig unter. Sie geht vor die Hunde, weil es keine Piraten mehr gibt. Verstehst du das, Gott! Oder hast du dich auf die Seite der anderen geschlagen? Auf die Seite von Gagga, Talleyrand, dem französischen König oder gar diesem walrossbäuchigen Tyrannen aus Berlin, dem Freiherrn von Eulenfels! Hey, Gott, hörst du mich, sprich!«
    Jo stand auf dem Deck über den beiden mächtigen Rümpfen und streckte die Fäuste zum Himmel empor. Da kam eine Welle. Es war die Welle der Wellen. Die Mutter des Sturms. Sie türmte sich auf und warf sich dann über die Schiffe, den Tatonka und den Rochen. Sie begrub die Piraten unter sich. Sie verschluckte sie einfach, und dann – als wäre das der einzige Sinn und Zweck des Sturmes gewesen – starb augenblicklich auch der Wind. Die Wolken verflüchtigten sich wie Nebel, und danach lag das Meer spiegelglatt unter einem stahlblauen Himmel, in dessen Zentrum die sengende Sonne stand.
    Ein einsamer Albatros flog durch ihren gleißenden Ball, und wäre es möglich gewesen, mit seinen Augen zu schauen, hätten, man sehen können, wie nach einer schier endlosen Zeit der Stille zwei Punkte auf dem Meer erschienen. Sie schwappten wie Korken aus ihm heraus und drehten sich danach langsam im Kreis. Es waren zwei Schiffe. Das erkannte der Albatros, als er an Höhe verlor und auf dem Tatonka landete.
    Nats Schiff war unversehrt. Selbst der Ausleger des riesigen Einbaums war nicht zerbrochen und auch der Mast des Segels stach unversehrt in den stahlblauen Himmel. Der Rochen dagegen hatte Federn gelassen. Die Flügel des Mantas, seiner Galeonsfigur, die die beiden Rümpfe umspannten, waren geknickt. Das stolz in die Höhe gereckte Heck hing traurig und schlaff wie der eingezogene Schwanz eines kranken Hundes herab. Und von den einstmals stolzen sechs Masten, den Schwingen des Schiffes, standen nur noch ein paar mickrige Stümpfe. Zwischen denen lag die bewusstlose Besatzung, als wären alle tot. So erschien es zumindest Nat, als er mit seiner indianischen Crew das Deck von Hannahs Schiff betrat. Er sah Feuerkopf Finn und den Windschiefen Cutter. Ratten-Eis-Fuß, der bucklige Pirat, lag in den Armen der Damen, Salome und Ophelia. Moses steckte in einem Fass, O’Brian in einer Rolle aus Tauen. Und Jo? Wo war Jo? Der, dessen Gebet sie gerettet hatte. Oder schien es nur so? Waren er und seine Freunde alle gestorben?
    Da fand Wolfsherz den Jungen unter dem Steuer. Die Welle hatte ihn dorthin gespült. Er lag da mit aufgerissenen Augen, als sähe er seinen eigenen Tod. Nein, als wäre er beim Anblick der Monsterwelle gestorben.
    »Jo!«, rief Nat. »Jo!«, und lief zu ihm hin.
    Doch der nahm ihn nicht wahr. Er seufzte nur leise: »Nein, das kann doch nicht sein.«
    Er verengte die Augen und dann sah er den Tropfen. Er fiel aus dem wolkenlosen Blau und platschte dem Jungen auf die Nase.
    »Das gibt es doch nicht!« Jo lachte vor Freude. »Nat, hast du das gesehen? Ich lebe noch, siehst du? Siehst du die Spritzer auf meiner Nase? Das ist ein Regentropfen gewesen. Ja, ich lebe noch, ich, Regentropfen-fallen-auf-dich-Jo! Oh, Nat, das ist wunderbar, nein, das ist ein Wunder!«
    Er packte Nat bei den Händen und tanzte um ihn herum.
    »Gott hat mich gehört. Ich habe gebetet, nun, vielleicht hab ich auch mit ihm geschimpft. Aber er hat es mir nicht übel genommen …«
    Jos Stimme erstarb. Er sah plötzlich die anderen. Den Windschiefen Cutter, dessen langer, vom Sturm gebeutelter Körper um einen Anker gewickelt war, und Feuerkopf Finn. Den hatten Ketten und Taue an einen Maststumpf
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