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Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition)
Autoren: Hanni Münzer
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eingefallen war, dass ihre Freundin, Helga Putzinger, ein kleines Bauernhaus in Utting besaß. Es lag fast auf dem Weg. Ihres Wissens war Helga in letzter Zeit sehr oft dort. Elisabeth hatte dann beschlossen, es zumindest zu versuchen.
    Die beiden jungen Frauen kannten sich erst seit einem halben Jahr, waren sie doch zur gleichen Zeit Schülerinnen der Gesangspädagogin Lilli Lehmann in München gewesen. Helga und Elisabeth, beinahe in gleichen Alter, hatten sich auf der Stelle miteinander angefreundet, gleichwohl sie äußerlich wie auch vom Temperament her kaum unterschiedlicher hätten sein können: Helga war groß und blond, ihr Wesen überlegt und ausgeglichen; Elisabeth hingegen war klein und zart wie ein Sperling, mit schwarz glänzendem Haar und von quirliger Lebendigkeit.
    Natürlich lernte Elisabeth bald auch Helgas Ehegatten Bubi kennen. In Bubis Taufschein stand der Name Egon, doch den Bubennamen wurde er sein Lebtag nicht mehr los - obwohl Elisabeth tatsächlich niemals jemanden getroffen hatte, auf den diese Verniedlichung weniger gepasst hätte. Alles an Bubi schien irgendwie zu groß geraten: Hände, Füße, Nase, Kopf. Dazu war er massig wie ein Stier und recht laut, mit der Tendenz zur Rüpelhaftigkeit. Allerdings spielte er wunderschön und mit Leidenschaft Klavier. Elisabeth, selbst eine vortreffliche Pianistin, fand auf der musikalischen Ebene schnell eine verwandte Seele in Bubi.
    Elisabeth und Gustav waren einmal an einem Sonntag beim Ehepaar Putzinger in Utting eingeladen gewesen. Zwar hatte Gustav nicht denselben Zugang zu Bubi gefunden wie seine Frau, doch er musste dennoch eingestehen, dass Helgas Mann äußerst belesen und gebildet war. Er entstammte einer alteingesessenen Münchner Familie, die unter anderem einen Kunstverlag ihr Eigen nannte. Das hatte Bubi Putzinger ermöglicht, im Ausland, an der Universität von Harvard, ein Studium zu absolvieren. Nach dem Studium hatte er einige Jahre in New York gelebt und die dortige Kunsthandlung geführt, welche sich im Familienbesitz befand.
    Die beiden Herren hatten an jenem Nachmittag bei einer Zigarre am Kamin ein angeregtes Gespräch geführt und dabei auch über den unglücklichen Nichtschwimmer König Ludwig II. konferiert, da Bubi sich mit der Absicht trug, ein Buch über ihn zu schreiben.
    Als Elisabeth nun in ihrer Not bei ihrer Freundin in Diessen anlangte, war das Glück auf ihrer Seite: Helga war am Tag zuvor mit ihrem kleinen Sohn, Egon junior, und dem Hausmädchen aus München angereist. Voller Freude über das unerwartete Zusammentreffen hatte sie ihre Freundin auf einen echten Bohnenkaffee eingeladen.
    Die beiden Damen schickten den Chauffeur in ein nahe gelegenes Gasthaus und verbrachten einen gemütlichen Nachmittag zusammen, der alsbald in den Abend überging.
    Bekanntlich wurde es im November früh dunkel, doch als die Standuhr im Esszimmer plötzlich sieben Uhr schlug, erschrak Elisabeth. Helgas Hausmädchen wurde eiligst zum Gasthof geschickt, um Elisabeths Fahrer zu benachrichtigen.
    Helga war just dabei gewesen, ihre Freundin davon zu überzeugen, dass es klüger sei, wenn Elisabeth über Nacht bei ihr in Utting bliebe, da klopfte es energisch an der Tür.
    In der Annahme, es sei Elisabeths Fahrer, öffnete die Dame des Hauses selbst und sah sich unvermittelt einer Gruppe schmutziger Männer gegenüber. Sie schienen erschöpft und blickten nervös um sich.
    Wenn Helga sich über den Männerbesuch wunderte, so zeigte sie es nicht, sondern wahrte Contenance.
    Später würde Helga Elisabeth erzählen, dass sie sofort gewusst hatte, dass etwas Schreckliches geschehen war, sonst hätte sie ihr Mann nicht tags zuvor und ohne eine befriedigende Erklärung mit dem kleinen Egon aus München fortgeschickt.
    Elisabeth hingegen, die sich nur für wenig interessierte, das sich außerhalb ihrer musikalischen Welt abspielte – schon gar nicht für rauchgeschwängerte Männerangelegenheiten wie Republik, Politik und so weiter (all dies empfand sie als uninspirierend), war bar jeglicher Ahnung. Wenn es den Ausdruck weltfremd nicht schon gegeben hätte, für Elisabeth hätte er erfunden werden müssen.
    Der Anführer der kleinen nervösen Schar war blass, unrasiert und trug einen schmuddeligen Trenchcoat. Trotz alldem bat ihn Helga ausgesucht höflich herein. Ein weiterer Mann stellte sich selbst als Dr. Schultz vor. Der Rest der Truppe sagte nichts und verteilte sich wachsam vor der Tür.
    Da Elisabeth in Eile war und ihr Chauffeur
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