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Honecker privat

Honecker privat

Titel: Honecker privat
Autoren: L Herzog
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Milliarde Menschen zählt, faszinierte uns alle, wobei natürlich die gravierenden sozialen Gegensätze nicht zu übersehen waren. Am Rande der aufstrebenden, modernen Städte wucherten die Slums. Honecker schrieb dazu in seinen 1980 erschienenen Erinnerungen (»Aus meinem Leben«), dass ihn die »herrlichen Denkmäler der Kultur und die geschichtlichen Leistungen des indischen Volkes« überwältigt hätten, zugleich wäre er erschüttert gewesen über »die Zeugnisse des verbrecherischen Kolonialismus«. Kolonialismus aber sei kein »Betriebsunfall der Geschichte«, das wisse man auch in Indien.
    Kurz nach dieser strapaziösen Reise startete ich zu einer weiteren Vorbereitungsreise, diesmal ging es nach Afrika. Vom 21. Januar bis 1. Februar 1979 war das Vorkommando in Angola, Sambia und Mocambique unterwegs, nach einem kurzen Aufenthalt daheim hatten wir vom 10. bis 12. Februar in Libyen zu tun. Wir flogen jedes Mal mit einer TU 134, was uns zu diversen Zwischenlandungen zwang. So mussten wir in der Volksrepublik Benin, die bis 1975 noch Dahomey hieß und früher eine französische Kolonie war, zum Tanken landen. In dem Land herrschten, wie sich erst jetzt herausstellte, bürgerkriegsähnliche Zustände, wir schafften es unter Lebensgefahr vom Flughafen zum Hotel, und Dank der Überredungskünste von Franz Jahsnowski und seines Koffers mit Bargeld bekamen wir genug Kerosin und die Starterlaubnis, so dass wir bis Luanda kamen.
    Unsere Visite in Angola, Sambia und Mocambique war insofern nützlich, als wir nun wussten, dass beim Staatsbesuch nicht nur Lebensmittel und Getränke mitzunehmen waren, sondern einfach alles – vom Toilettenpapier über Streichhölzer und Kerzen bis hin zu Feldbetten und Luftmatratzen. Uns blieben in Berlin gerade zwei Tage, um alle notwendigen Vorbereitungen zu treffen.
    Natürlich mühten sich die Gastgeber um ihren hohen Besuch aus Europa, zumal sie von diesem auch einiges erwarteten. Gleichwohl war ein Teil des Elends auch protokollarischen Ursprungs. In Indien waren wir diesbezüglich nicht so gefordert worden, da wirkten – bei aller kritischen Distanz zur Vergangenheit – noch Strukturen und Stabskultur aus der britischen Kolonialzeit nach. Nicht so in den afrikanischen Staaten. Nicht nur ich wusste an manchen Tagen nicht, wo mir der Kopf stand. Honecker erinnerte daran diplomatisch-höflich: »Bei Besuchen in einigen Betrieben und im Hafen von Luanda, der Hauptstadt Angolas, konnten wir sehen, wie schwierig es ist, die Wirtschaft in einem solchen Land zu entwickeln.«
    Angola war politisch noch sehr instabil, und so mussten wir versuchen, ein Höchstmaß an Sicherheit für die Delegation zu garantieren. Personenschützer, Steward und Koch waren stets hellwach und achteten auf alle Unregelmäßigkeiten. Hinzu kam, dass Honecker kaum etwas zu sich nahm, auch nicht bei uns an Bord. Die hohen Temperaturen um 35 Grad und die extreme Luftfeuchtigkeit machten ihm sichtlich zu schaffen. Das Gästehaus war ohne Klimaanlage, so dass wir alle kaum ein Auge in der Nacht schlossen. Auch wenn die üppige Vegetation rings um unsere temporäre Bleibe alles sehr freundlich erscheinen ließ, war die entsetzliche Not in dem erst seit dem Abzug der Portugiesen vor vier Jahren unabhängigen Land nicht zu übersehen. Vor dem Gästehaus saß stundenlang eine Mutter mit ihrem Baby, bis wir merkten, worauf sie wartete: auf unsere Küchenabfälle. Das berührte uns sehr unangenehm. Unser Koch drückte ihr einige Lebensmittelkonserven in die Hand, was die Frau in Tränen ausbrechen ließ.
    Sambia, der nächsten Station, vormals Nordrhodesien und zwischen Angola und Mocambique gelegen, befindet sich auf einer Hochebene. Das Klima schien dadurch im Vergleich mit Angola erträglicher, zumindest in der Nacht sanken die Temperaturen in Lusaka merklich. Die gesamte Delegation einschließlich ihrer Begleitung war in einem Luxusquartier aus britischer Kolonialzeit untergebracht. Auch die Küche war noch very british. Honecker traf sich mit Kenneth Kaunda, dem Präsidenten, und fand zu ihm einen guten Draht. Auch gab es Begegnungen mit wichtigen Persönlichkeiten aus den Nachbarstaaten, die in der Folgezeit noch eine wichtige Rolle spielen sollten wie etwa Oliver Tambo, damals Chef des südafrikanischen ANC, mit dem Präsidenten der SWAPO Sam Nujoma, mit RobertMugabe, damals Präsident der Afrikanischen Front von Simbabwe (ZANU), und mit Joshua Nkomo, dem Kopf der Afrikanischen Volksunion von Simbabwe (ZAPU).
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