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Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)

Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)

Titel: Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)
Autoren: Albert Karer
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die Kostenexplosion im Gesundheitswesen. Die meisten Versicherungsgesellschaften sind ebenfalls dafür, vor allem die, bei denen wir maßgebliche Anteile besitzen – immerhin inzwischen rund siebzig Prozent aller europäischen Versicherer.
    Wir haben für die Einführung der neuen Sozialgesetze eine zehnjährige Übergangsfrist vorgeschlagen. Das bremst viele Kritiker aus. Außerdem braucht die ORGANICA für die Entwicklung des Systems IMIAS, das wir den Europäern zur Verwaltung ihrer Bürger verkaufen wollen, noch Zeit.
    Dagegen sind vor allem linke Oppositionsparteien. Und die Medien üben teilweise heftige Kritik, bei repräsentativen Umfragen ist die Mehrheit der Bürger derzeit auch dagegen. Einzelne Politiker versuchen zudem, das Thema für ihre eigenen Interessen zu nutzen und heizen die Stimmung auf.“ Dérúgo schüttelte den Kopf.
    „Ah, ich habe davon gehört, wie hieß er doch gleich, ein linker Politiker in Deutschland. Doquelle?“, fragte Wei Feng.
    „Du meinst Dequeller, deutsch-französischer Doppelbürger, Verschwörungstheoretiker, der seit Jahren vor der gelben Gefahr warnt? Er ist heute Morgen in einem Pariser Spital an akutem Leberversagen gestorben. Man fand keinen passenden Organspender.“
    „Bedauerlich.“
    Dérúgo Feng schaute auf. „Du gewinnst die Partie, Vater.“
    „Aber du wirst immer besser, mein Sohn.“
    Wei Feng setzte einen Stein, ein Zug, mit dem sein Sohn nicht gerechnet hatte. „Verschwörungstheoretiker können kein Go spielen, da sie von der Annahme ausgehen, dass man alles planen und steuern kann. Dabei ist es tatsächlich eher wie mit einem Boot, das in der Strömung treibt. Die Strömung kannst du nicht beeinflussen, du kannst sie lesen und versuchen, sie zu interpretieren. Dann reagierst du, und wenn du richtig liegst, nimmt dein Boot den Kurs, den du wünschst. Verstehst du, was ich meine, Dérúgo?“
    „Ja, das umschreibt gut unsere Strategie für Europa. Die Schuldenkrise haben die Europäer selbst geschaffen, sie haben viel zu lange über ihre Verhältnisse gelebt – das ist die Strömung. Und wir nutzen jetzt die Chancen, die sich daraus ergeben, und halten uns ansonsten aus ihren inneren Angelegenheiten heraus. Da braucht es keine Verschwörung, nur einen wachen Verstand.“
    „So ist es, mein Sohn, und wir werden diese Chancen nutzen.“

Juni 2037
    Die Berliner Philharmoniker spielten Vivaldis Vier Jahreszeiten. Herbert von Karajan leitete eben den Übergang vom Herbst in den Winter ein. Tobias ließ seinen Blick über das Orchester schweifen, zum Dirigenten, durch das prächtige Haus, der Semperoper in Dresden.
    Er saß ganz alleine in der Mitte des Saals, das Orchester spielte nur für ihn. Die anderen Zuschauer, die zu Beginn des Konzerts noch den Saal gefüllt hatten, hatte er nach wenigen Minuten einfach ausgeblendet. So fühlte er sich wohler und konnte ganz in der Musik aufgehen. Der dynamische, dramatische Teil des Winters erreichte gerade seinen Höhepunkt.
    „Tobias?“
    „Gleich, Confidence, sie sind gleich fertig.“
    Mit seiner Konzentration war es vorbei, die letzten Minuten des Finales konnte er nicht mehr genießen. Seufzend nahm er das Head Mountain Display von seinem Kopf. Sein Arbeitszimmer hatte ihn wieder. Tobias steuerte seinen Rollstuhl vor die Projektionsfläche. Er wusste, warum Confidence ihn gestört hatte.
    „Confidence, ich bin da, wir können anfangen.“
    „In den Pekinger Krankenhäusern werden die ersten Todesfälle gemeldet. Aktuell sind wir bei fünfundsiebzig Kindern und Jugendlichen, spätestens in dreißig Minuten wird eine Epidemiewarnung erfolgen.“
    Auf der Projektionsfläche erschien eine Karte von China, jeder rot leuchtende Punkt war ein Krankenhaus. Daneben jeweils eine Zahl, die Zahl der gemeldeten Todesfälle innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden. Vor allem im Großraum Peking stiegen die Zahlen im Sekundentakt.
    „Wie ist der Status bei Feng?“, fragte Tobias.
    „Er hat bisher nichts von dem Angriff mitbekommen“, antwortete Confidence.
    „Gut, du kannst jetzt damit anfangen, die Computer auszuschalten.“
    Er beobachtete einen Moment die Projektionsfläche, die sich soeben verändert hatte. Sie zeigte nun die Konturen Chinas und der angrenzenden Staaten, darauf ein Netzwerk aus grünen Punkten und Linien. Die Punkte standen für zentrale Computersysteme, die Linien für Kommunikationsverbindungen. Die ersten Punkte wurden rot: deaktiviert. Er stellte die Anzeige auf den globalen
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