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Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)

Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)

Titel: Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)
Autoren: Albert Karer
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nicht, trank Alkohol lediglich in homöopathischen Dosen, wie seine Kollegen lästerten, schlief ausreichend und war sportlich. Seine Laster waren Kaffee und Kuchen, in manchmal ungewöhnlichen Mengen.
    Vom linken Fuß bis zur Hüfte und von der linken Hand bis hoch zur Schulter hatte ihn in diesem Haus in Afghanistan das spritzende Benzin erwischt und sich durch seine Kleidung gebrannt, großflächige Verbrennungen dritten Grades. Am Hals und am Kopf hatte er Glück gehabt. Wenn er vollständig angezogen war, fielen die Brandnarben am Hals und das fehlende linke Ohrläppchen nur dem auf, der genau hinsah.
    Ein Afghane hatte damals schnell reagiert und die Flammen an seinem Körper erstickt. Die Schutzweste hatte seinen Oberkörper geschützt – und im Moment der Explosion hatte er den Kopf weggedreht.
    Über ein Jahr lag er danach im Krankenhaus. Die Ärzte hatten ihn ganz passabel zusammengeflickt. Sie hatten ihm an gesunden Körperstellen Hautgewebe entnommen, es künstlich vermehrt und an verbrannten Stellen eingesetzt. So war er zu seinem eigenen Organspender geworden.
    Die Ärzte sagten ihm, dass er vor zwanzig Jahren nicht so gut weggekommen wäre. Der medizinischen Forschung verdankte er also nicht nur Lebensqualität, sondern wahrscheinlich sogar sein Leben. Trotz aller ärztlichen Kunst hatte sich Narbengewebe gebildet, das ihm Schmerzen bereitete und ihn behinderte. So konnte er den linken Arm ausgestreckt nur noch knapp über Kopfhöhe heben. Klimmzüge hatte er früher problemlos zwanzig Stück geschafft, jetzt war kein einziger mehr drin. Er zog ganz leicht das linke Bein nach, da er das vernarbte Knie nur eingeschränkt bewegen konnte.
    Am linken Fuß hatte man ihm den kleinen Zeh amputiert. Er war überrascht gewesen, als er feststellte, dass sich seine Trittsicherheit scheinbar mit dem kleinen Zeh verabschiedet hatte. Nach einigen Wochen Training hatte er sich an das neue Gefühl gewöhnt und konnte wieder gut laufen. Ab und zu spürte er noch einen Juckreiz am Fuß, an der Stelle, wo der kleine Zeh nicht mehr war – Phantomschmerzen .
    All das hatte er verwunden. Was blieb, waren die Albträume und sein Abwesenheitskomplex, wie er es nannte. Dann trat er von einem Moment auf den anderen weg und kam erst nach Minuten oder Stunden wieder zu sich. Er erinnerte sich nie daran, was in dieser Zeit in seinem Kopf vorging.
    In diesem Zustand sah er aus, als denke er angestrengt nach, er war nicht ansprechbar, stand nicht auf und bewegte sich nicht, war steif und starr. Wie er längst wusste, hieß dieser Zustand Sopor , eine Bewusstseinsstörung, eine Art Wachschlaf, verursacht durch die traumatischen Ereignisse in Afghanistan und seine Verletzungen.
    Wodurch die Ausfälle konkret ausgelöst wurden, konnten ihm die Mediziner nicht sagen. Manchmal hatte er es wochenlang gar nicht und dann plötzlich fast jeden Tag. Das letzte Mal war es ihm vor fünf Tagen mitten in einer Abteilungssitzung passiert. Er war eine volle Stunde weggewesen, so lange dauerte es meistens.
    Diese Behinderung hatte Einfluss auf seine Arbeit – Karriere würde er damit keine mehr machen, dafür fühlte er sich mit zweiundvierzig Jahren nun auch zu alt. Er hatte zu viel hinter sich. Er hatte keine Energie und auch keine Lust mehr. So war er dankbar gewesen, als man für ihn im Sommer 2010 beim BKA eine Stelle eingerichtet hatte. Eine der vielen Sonderlösungen, die die Bundesregierung für traumatisierte Soldaten gefunden hatte. So fühlte er sich zumindest nicht nutzlos.
    Er arbeitete vor allem am Schreibtisch. Meist ging es in seinen Fällen um Ermittlungen gegen aktive oder ehemalige Bundeswehrangehörige, um Straftaten in ihren Einsatzgebieten. Damit kannte er sich aus. Ob Balkan, Kongo oder Afghanistan, er war als Feldjäger überall gewesen.
    Allerdings gingen die Fälle seit einiger Zeit zurück, was vor allem daran lag, dass die Bundeswehr eigentlich nur noch in Afghanistan im Einsatz war und auch dort den Einsatz langsam zurückfuhr. Außerdem zeigten die präventiven Maßnahmen – zusätzliche Ausbildung und Sensibilisierungen der Einsatzkräfte – langsam Wirkung.
    Zum 1. Januar 2012 war ein neuer Abteilungsleiter ernannt worden, Friedhelm Kollatz, ein schleimiger, karriereorientierter Typ. Sie waren sich sofort unsympathisch und wussten, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie aneinandergerieten – das alte Frontschwein und der grüne Junge, der frisch von der Schulbank kam. Die Chefsekretärin hatte ihm
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