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Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)

Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)

Titel: Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)
Autoren: Albert Karer
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eine leichte Sache dank Max’ iPhone und der Spuren, die es im Mobilfunknetz hinterließ.
    Im Büro fiel sein Blick an diesem Morgen zuerst auf seinen Schreibtisch. Der war aufgeräumt, wie die Schreibtische seiner Kollegen vor und nach Arbeitsbeginn auch. Der Unterschied zu den anderen war, dass auch seine Aktenschränke quasi leer waren. Es gab nichts, was er hätte hineinstellen können.
    Trotzdem war er gut gelaunt, da er am Vormittag einen Termin hatte. Der Fall war abgeschlossen, es waren nur noch einige formelle Punkte zu erledigen. Das wäre auch am Telefon möglich gewesen, aber er war froh über jede Abwechslung.
    Es ging um einen jungen Unteroffizier, einen Fallschirmjäger. Er war mit drei Mann in einem kleinen Dorf in Afghanistan auf Patrouille , als sie aus einem Haus beschossen wurden. Es gab ein kurzes, aber heftiges Feuergefecht, einer der Soldaten wurde verwundet, Oberschenkelsteckschuss. Als die Unterstützung kam und das Haus kontrollierte, fanden sie nur einen etwa siebenjährigen toten Jungen.
    Ein deutscher Politiker, der zu diesem Zeitpunkt mit einer Gruppe von Parlamentariern auf Truppenbesuch war, bekam den Vorfall mit. Er setzte eine Untersuchung des Falls inklusive Obduktion des Kindes durch. Das Ergebnis: Der Junge war von einer Kugel aus der Maschinenpistole des Unteroffiziers getroffen worden. Der Politiker reichte Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung ein und schaffte es so, sich eine Woche lang in den Medien zu platzieren. Der Unteroffizier wurde seinerseits von einem Boulevardblatt tagelang durch den Dreck gezogen.
    Jakob Schell hatte in Deutschland den Fall bearbeitet. Sein Bericht war zugunsten des angeklagten Unteroffiziers ausgefallen. Die Unterstellungen des Politikers, der Soldat habe fahrlässig oder gar beabsichtigt den Jungen erschossen, widerlegte er hieb- und stichfest, der Staatsanwalt hatte die Untersuchung umgehend eingestellt und die Anklage fallenlassen. So war der Unteroffizier zumindest formell wieder rehabilitiert.

Das Besprechungszimmer war gerade mal sechs Quadratmeter groß, die Einrichtung entsprechend spartanisch: ein kleiner runder Tisch, vier schwarze, mit Kunstleder überzogene Stühle, ein Flipchart an der Stirnwand und ein Telefonapparat auf dem Tisch. Da es eines der wenigen Besprechungszimmer im Hause mit Fenster war, war es dennoch begehrt.
    Als Jakob das Zimmer betrat, drehte sich Unteroffizier Alex Haffner zu ihm um. Er stand am Fenster und wartete wohl schon eine Weile. Er trug seine Ausgehuniform, das bordeauxfarbene Barett der Fallschirmjäger hielt er zusammengerollt in der linken Hand. Sie kannten sich von zwei früheren Terminen und waren sich gleich sympathisch gewesen. Jakobs Blick fiel auf das silberne Springerabzeichen, ein guter Einstieg ins Gespräch.
    „Guten Morgen, Herr Unteroffizier“, er reichte ihm die Hand. „Setzen Sie sich. Wie ich sehe, tragen Sie das silberne Springerabzeichen. Ich habe Sie noch gar nicht gefragt, wie viele Absprünge Sie haben?“
    „Einunddreißig, in fünf Jahren. Ab dem fünfzigsten gibt es Gold. Sind Sie in Ihrer aktiven Zeit auch gesprungen?“
    Jakob lächelte, als er an seinen ersten und zugleich letzten Fallschirmsprung dachte. „Einmal, allerdings nur als Tandempassagier. Das gehörte bei uns zum Pflichtprogramm. Einerseits ein sehr unangenehmes, andererseits, als ich es überstanden hatte, ein überwältigendes Gefühl. Aber zur Sache: Ihr Fall ist offiziell abgeschlossen. Ihnen wurde kein Fehlverhalten nachgewiesen, es wird auch nichts in Ihrer Akte verbleiben. Nach allem, was vorgefallen ist, wollte ich Ihnen das noch einmal persönlich sagen.“
    „Danke. Wissen Sie, ich habe oft gezweifelt. Vor allem nach den ganzen Zeitungsartikeln. Wir haben uns doch nur verteidigt, und dann wird man als skrupelloser Kindermörder hingestellt. Zu Hause, in meinem Dorf, machen die Leute seitdem einen Bogen um mich.“ Der junge Mann versuchte, die Fassung zu bewahren.
    Sie schwiegen beide. Schließlich sprach Jakob wieder, seine Stimme war strenger, als er es beabsichtigte, aber so war es für ihn einfacher.
    „Es ist passiert, und niemand kann es ändern. Sie haben alles richtig gemacht, Punkt, das ist Fakt. Alles andere wird man vergessen. Sie wissen ja, wie sagt man so schön: Die Zeit heilt alle Wunden.“ Und vielleicht auch einmal bei mir, dachte er. „Wie geht es jetzt bei Ihnen weiter?“
    „Unsere Kompanie geht in einem Monat wieder runter, und Weihnachten sind wir zurück in
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