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Homicide

Homicide

Titel: Homicide
Autoren: David Simon
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Gleichnis, was aber niemand bemerkte.
    Da die Zahl der Morde in die Höhe schnellte und die Aufklärungsquote sank, dauerte es kein Jahr, bis das Morddezernat Worden wieder anheuerte, um offene Mordfälle aufzuklären, allerdings als freien Mitarbeiter. Das macht er bis heute – zusammen mit seinem Sergeant Roger Nolan, ebenfalls Spezialist für ungeklärte Morde. So werden aus roten Namen auf der Tafel schwarze, obwohl er weder seine alte Marke noch eine Waffe bei sich trägt.
    Wenn ich Worden gelegentlich treffe, meist zu ein oder zwei Bieren in der irischen Spelunke in der O’Donnell Street, biete ich ihm stets einen Quarter an, den er jedesmal höflich ablehnt, obwohl er es sich nicht verkneifen kann, darauf hinzuweisen, dass es inzwischen fünfundvierzig Cent wären.
    Neben Fahlteich und McLarney sind Worden und Nolan als Einzige aus D’Addarios Truppe noch im Dienst. Die anderen sind an den verschiedensten Orten von New York bis Washington in der Strafverfolgung tätig. Meist haben sie ihre Kündigung eingereicht, um besser bezahlte Ermittlerjobs in anderen Behörden und Institutionen zu übernehmen.
    Wordens Partner Rick James ist zum militärischen Geheimdienst (U.S. Defense Intelligence Agency) gegangen. Rich Garvey und Bob McAllister haben Stellen als Ermittler beim Federal Public Defenders Office, dem öffentlich finanzierten Verteidigerbüro, angenommen, wobei Garvey in Harrisburg, Pennsylvania, arbeitet und McAllister in Baltimore.
    Gary Childs war eine Zeit lang Ermittler bei der Staatsanwaltschaft des Carrol County, bevor er Detective im Morddezernat von BaltimoreCounty wurde. Später kam auch Jay Landsman hinzu, und dann auch dessen Sohn. Und zwei Generationen Landsmans im selben Revier – da bleiben die Scherze nicht aus.
    Kürzlich griff Jay bei einer Observation zum Funkgerät und fragte seinen Sohn, der denselben Dienstgrad hat wie er, ob er ein gewisses Auto im Auge habe.
    »Ja, gefällt mir, Dad«, lautete die lakonische Antwort, woraufhin der Rest der Mannschaft in heiteres Gelächter ausbrach.
    Nachdem er mit Roger Nolan seinen Beschützer verloren hatte, geriet Harry Edgerton bald in Konflikt mit dem Dezernat, das wenig Toleranz für Leute aufbringt, die sich nicht an die Konventionen halten.
    Als im Jahr 1990 das gemeinsame Projekt von FBI und Baltimore City zur Verfolgung des Drogenrings von Warren Boardly erfolgreich abgeschlossen war, kehrte Edgertons langjähriger Partner Ed Burns ins Dezernat zurück und schlug umgehend die Schaffung einer Spezialeinheit vor, die langfristig gegen gewalttätige Drogenbanden ermitteln sollte. Als dieser Vorschlag ohne eine Antwort im siebten Stock versickerte, beschloss Burns, die Sache zu schmeißen, kündigte 1992 und begann eine Laufbahn als Schullehrer in Baltimore – die ich jedoch nach ein oder zwei Jahren vorzeitig beendete, indem ich Ed überredete, mit mir über West Baltimore zu berichten und
The Corner
zu schreiben. Diese Partnerschaft besteht bis heute – Ed schreibt an
The Wire
und leitet Aufnahmen für die Serie.
    So auf sich gestellt, verließ Edgerton das Nest seines Teams – wo ihm sein Sergeant stets den Rücken gestärkt und Beschwerden von Mitarbeitern über ihn immer mit größter Skepsis aufgenommen hatte. Er wechselte vom Morddezernat zu einer neu gebildeten Truppe, dem Sondereinsatzkommando Gewaltverbrechen. Edgerton sah hierin längerfristig das Team, das sich auch um umfangreiche Fälle kümmern konnte, und von dem er und Burns immer geträumt hatten.
    Dieses Sonderkommando, die Violent Crimes Unit, kurz VCU, erfüllte diese Erwartungen nicht. Es verfolgte hauptsächlich Kleinkriminelle der Straße und führte Razzien an Dealertreffs durch. So begann Edgerton eine einsame Rebellion, ging seiner eigenen Wege, ignorierte die Anweisungen seiner Vorgesetzten und stieß auf die ihm eigene Art Kollegen vor den Kopf.
    Ein stellvertretender Polizeichef übertrug ihm dann die abenteuerliche, aber höchst wichtige Aufgabe, die Waffe eines Streifenpolizisten ausfindig zu machen, der in East Baltimore verwundet worden war. Nach ein paar Wochen befand sich Edgerton in Verhandlungen mit einem Dealer von der East Side, der ihm die Waffe beschaffen sollte. Sein Druckmittel war eine Reihe selbst gedrehter Pornovideos in einer lederbezogenen Box, die bei einer Drogenrazzia beschlagnahmt worden war. Er versicherte dem Dealer, dass die Bänder wirklich privat seien, und bot sie ihm im Tausch gegen die Waffe des Cops an. Doch dann warf ihm
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