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Holidays on Ice

Holidays on Ice

Titel: Holidays on Ice
Autoren: David Sedaris
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mehreren verschiedenen Sorten Marmelade vollgeschmiert. Ich spürte, dass es die Marmelade war, die wir am Vorabend in den Müll geworfen hatten, und ein Blick auf unseren umgekippten Mülleimer sagte mir, dass ich richtig lag. Das machte mich ziemlich ungehalten, aber bevor ich etwas sagen konnte, zog der alte Penner eine Blechtasse hervor und begann, um Geld zu winseln.
    Als Beth fragte, wer an der T ür sei, rief ich: »Roter Bereich!« was unser geheimes Signal war, die Hunde loszulassen. Wir hatten damals zwei von den Biestern, große Dobermänner namens Butterscotch und Mr. Lewis. Beth versuchte sie aus dem Esszimmer herauszukommandieren, aber da sie sich mit Truthahn und F üllung vollgestopft hatten, gelang es ihnen knapp, den Kopf zu heben und sich zu übergeben. Ich sah, dass sie verhindert waren, ließ mich selbst auf Hände und Knie nieder und bis den Typ persönlich. Vielleicht lag es an dem Stierkampf-, ich hatte jedenfalls plötzlich Lust auf Blut. Meine Zähne ritzten kaum die Haut, aber das genügte bereits, um den alten Zausel zu den Cottinghams weiterhumpeln zu lassen. Ich sah zu, wie er gegen ihre Tür hämmerte, und wusste genau, was geschehen würde, wenn er Doug, dem alten Nachmacher, bei dessen Konkurrenzwahn berichtete, dass ich ihm popligerweise kurz in die Wade gebissen hatte. Beth rief mich aus irgendeinem Grunde ins Haus, und als ich ein paar Minuten später an die Tür zurückkehrte, sah ich, wie Helvetica, das Dienstmädchen der Cottinghams, ein Foto davon machte, wie Doug, Nancy und Eileen dem Landstreicher einen Ein-Dollar-Schein aushändigten.
    Ich wusste, dass etwas im Busch war, und, richtig, zwei Wochen sp äter fand ich genau den Schnappschuss auf der Weihnachtskarte der Cottinghams, und dazu die Worte »Weihnachten heißt Schenken«. Das war immer unser Wahlspruch gewesen, und hier hatte er ihn gestohlen und die Botschaft verfälscht, um uns egoistisch aussehen zu lassen. Es war nie unsere Art gewesen, andere zu beschenken, aber ich begann, anders darüber zu denken, als ich die phänomenalen Reaktionen bemerkte, die die Cottinghams mit ihrer Weihnachtskarte bewirkt hatten. Plötzlich waren sie das einzige Gespr ächsthema. Man konnte auf eine x-beliebige Weihnachtsparty gehen, und schon hörte man: »Haben Sie sie gesehen? Ich finde sie absolut zauberhaft. Da haben diese Leute doch tatsächlich einem wildfremden Menschen Geld gespendet! Ist das zu überbieten? Einen ganzen Dollar an einen Stadtoder Landstreicher verteilt, der keinen roten Heller hatte. Wenn Sie mich fragen, sind diese Cottinghams sehr tapfre und großzügige Menschen.«
    Doug w ürde wahrscheinlich sagen, dass ich ihm unfairerweise seine Idee geklaut habe, als ich ebenfalls ein großzügiger Mensch wurde, aber das ist nicht der Fall. Ich hatte bereits mit dem Gedanken gespielt, großzügig zu werden, als er noch längst nicht den Schauplatz betreten hatte, und, außerdem, wenn er mir illegal meinen Weihnachtswahlspruch stibitzt, warum soll ich dann nicht ganz unauffällig ein Konzept ausborgen, das es seit gut zehn Jahren gibt? Als ich zum ersten Mal laut sagte, ich hätte der Innenstädtischen Kopfschmerzstiftung zwei Dollar gespendet, wandten sich die Menschen von mir ab, als glaubten sie mir nicht. Dann spendete ich der Kopfschmerzstiftung tatsächlich zwei Dollar, und da hätten Sie sie sehen sollen, als ich anfing, mit meinem gesperrten Scheck zu wedeln! Großzügigkeit kann den Menschen tatsächlich ganz schön zu schaffen machen, wenn man nur genug darüber redet. Mit »zu schaffen machen« meine ich nicht, dass man sie langweilt, sondern etwas noch viel Lohnenderes. Wenn sie korrekt angewandt wird, kann Großzügigkeit Scham, Unzulänglichkeitsgefühle und sogar Neid hervorrufen, um nur ein paar Reaktionen zu nennen. Am allerwichtigsten ist, dass man irgendeinen schriftlichen oder sichtbaren Beweis f ür die Schenkung in Händen hält, sonst kann man die Mildtätigkeit gleich lassen. Doug Cottingham würde jetzt bestimmt sagen, ich hätte ihm diesen Spruch geklaut, aber ich bin ziemlich sicher, dass ich ihn in einer Informationsbroschüre der Steuerbehörde gefunden habe.
    Ich nahm meinen gesperrten Scheck auf alle wichtigen Weihnachtspartys mit, aber bald nach Neujahr verloren die Menschen das Interesse daran. Die Jahreszeiten kamen und gingen, und ich hatte meine Gro ßzügigkeit schon völlig vergessen, als zu Thanksgiving der alte Tramp in unsere Gegend zurückkehrte. Er musste sich noch an den Biss
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