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Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Titel: Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
Autoren: Jorge González
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dich liebt und in schlimmen Momenten an deiner Seite steht und dir Rückhalt gibt. Das gab mir Kraft und war für mich unglaublich wichtig.
    2008 ging es meiner Mutter wieder schlechter. Es würde nicht mehr besser, und sie könne den Zustand nur noch halten, erklärte mir meine Cousine. Zu dieser Zeit war sie gerade schwanger. Sie hatte jahrelang immer wieder Fehlgeburten gehabt, und es nun mit viel Mühe endlich geschafft, schwanger zu werden. Meine Mutter war superhappy. Denn meine Cousine war für meine Mutter in der Zeit ihrer Krankheit einer der wichtigsten Menschen neben mir – und nun erwartete sie ein Baby, was sie sich schon so lange wünschte.
    Trotzdem wollte sie meine Mutter in all der Zeit einfach nicht allein lassen. Sogar im achten Monat kam sie noch zur Untersuchung zu uns nach Hause. Als sie dann hochschwanger war, brachte ich meine Mutter zu ihr nach Santa Clara, damit sie es bequemer hatte. Ich wollte verhindern, dass ihr auf der Fahrt etwas passierte.
    Irgendwann bestand meine Mutter nur noch aus Haut und Knochen. Aber sie zeigte keinem, wie sie sich wirklich fühlte. Sie lachte, machte Witze, spielte Domino und sorgte sich immer um meine Cousine: »Aufpassen, cariño , mein Liebes, du mit deinem Bauch.«
    Mama wusste, dass meine Cousine eine Tochter bekommen würde. Sie war voller Vorfreude und machte sich dauernd Gedanken, wie das Kind heißen könnte. Irgendwann kam sie auf den Namen Thalia, was so viel wie »die Blühende« bedeutet. Ich selbst hatte ganz unterschiedliche Gefühle: Traurigkeit, weil meine Mutter langsam von dieser Welt ging, und Freude, weil meine Cousine ein neues Leben zur Welt bringen würde.
    Meine Mutter wollte dieses Kind unbedingt noch kennenlernen. Sie bat meine Schwester und mich, alles für die Ankunft der Kleinen zu besorgen. Aber wir waren nicht sicher, ob sie das noch erleben würde. Es ging ihr immer schlechter, und wir spürten, dass das Ende ganz nah war.
    Eines Morgens ging es meiner Mutter gar nicht gut. Als meine Cousine Mama untersucht hatte, schaute sie mich traurig an und sagte: »Ich schätze noch zwei oder drei Tage.«
    Also rief ich meinen Freund in Deutschland an, der sich sofort ins nächste Flugzeug setzte, und trommelte die ganze Familie zusammen. Ein paar Tage später, es war ein Samstagnachmittag, starb meine Mutter in meinen Armen. Ich werde diesen Moment nie vergessen: Meine Cousine mit ihrem dicken Bauch saß auf einem Stuhl neben mir, ich saß auf dem Bett, hielt meine Mutter und versuchte mit ihr zu reden. Ich habe ganz langsam und laut mit ihr gesprochen, aber sie reagierte nicht. Immer wieder suchte ich ihren Blick, bis es mir gelang, einen Kontakt herzustellen. Sie schaute mich an, und da spürte ich auf einmal, dass sie mir sagen wollte: »Lass mich los. Lass mich gehen.« Sie wollte, glaube ich, dableiben für uns, aber sie konnte einfach nicht mehr.
    Danach hat sie die Augen zugemacht, und irgendwann bewegten sich ihre Hände nicht mehr. In diesem Augenblick schlug mein Vater, der die ganze Zeit neben dem Bett gesessen hatte, die Hände über dem Kopf zusammen, atmete tief aus und sagte: » Coño . Verdammt.« Dann ging er weg. In Kuba halten wir die Uhren an, wenn jemand stirbt, deshalb weiß ich, dass es genau siebzehn Uhr war.
    Noch am gleichen Abend versammelten wir uns in der funeraria , dem Beerdigungsinstitut. Das ist eine Tradition bei uns. Während die gesamte Familie im Beerdigungsinstitut neben dem Sarg wachte, stürmte und regnete es draußen. Denn zu dieser Zeit wütete gerade der fürchterliche Hurrikan Gustav auf der Insel.
    Meine Mutter wollte verbrannt werden und hatte sich damals, auf unserer Reise nach Amsterdam, gewünscht, dass ihre Asche über einem Tulpenfeld verstreut würde. Aber ausgerechnet zu dieser Zeit war der Transporter nicht verfügbar, mit dem der Leichnam zur Feuerbestattung nach Havanna transportiert werden sollte, noch dazu fehlten Materialien, die man für eine Feuerbestattung brauchte. Es hat mich fast um den Verstand gebracht, dass ich meiner Mutter diesen Wunsch nicht erfüllen konnte.
    Die Beerdigung sollte bereits am nächsten Tag um zehn Uhr stattfinden. Denn wir hatten nicht die Möglichkeit, den Leichnam mehrere Tage aufzubahren. Ich bereitete meine Mutter auf die Bestattung vor: Für ihre große Reise zog ich ihr ihr fliederfarbenes Lieblingskleid an und schminkte sie so, wie sie es gern mochte. Ich wollte nicht, dass die Leute sie krank in Erinnerung behielten, denn sie war immer eine
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