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Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Titel: Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
Autoren: Jorge González
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unterwegs waren, alle im weißen Anzug und mit Panamahut, sahen sie aus wie Mafiosi. Sie hatten den Ruf von Herzensbrechern. Deshalb sagte meine Oma zu meiner Mutter, als sie merkte, dass mein Vater ihr den Hof machte: »Du musst aufpassen mit diesem caimán , diesem Alligator.«
    Damals war meine Mutter gerade mal dreizehn Jahre alt, hatte aber bereits viel Verantwortung in der Familie, weil sie eine der Älteren unter den elf Geschwistern war und ihrer Mutter viel helfen musste. Deshalb wurde sie schnell erwachsen. Sie war wunderhübsch und steckte sich, wie ich schon erzählt habe, immer Blüten in die Haare: am liebsten eine Mariposa, die 1936, im Geburtsjahr meiner Mutter, zur Nationalblume von Kuba erklärt wurde und ein wichtiges Symbol auf der Insel ist.
    Diese Blume soll den Revolutionären im 19. Jahrhundert wichtige Dienste im Kampf gegen die Spanier geleistet haben. Während sich die Männer in den Bergen versteckten, übermittelten ihnen ihre in den Dörfern zurückgeblieben Frauen Nachrichten, die sie auf die weißen Blütenblätter schrieben, weil niemand dort eine geheime Information vermutete.
    Als mein Vater meiner Mutter begegnete, hatte er eine Freundin, die nicht weit entfernt von ihr wohnte. Er musste also immer an ihrem Haus vorbei und hat sich sofort in sie verliebt, wie sie da so hübsch zurechtgemacht mit der Mariposa im Haar auf der Veranda saß. Da war sie, wie gesagt, gerade dreizehn Jahre alt. Wow, was für ein schönes Gesicht, dachte er. Mir hat er später einmal erzählt, dass er sofort die Beziehung zu dem anderen Mädchen beendete. Zwei Jahre lang kam er immer wieder vorbei, flirtete ein bisschen mit meiner Mutter und unterhielt sich mit ihren kleinen Schwestern und Brüdern. Als sie fünfzehn war, fragte er meinen Großvater, ob er seine Tochter besuchen dürfe. Mein Vater erzählt heute noch gern, wie er sich immer geärgert hat, dass meine Oma, die sehr streng war, die ganze Zeit in der Nähe sitzen blieb. Kaum stand Mama auf, um mit Papa in den Garten zu gehen, erhob sie sich ebenfalls und lief hinterher. Muss sie denn nie mal Pipi machen, schimpfte mein Vater dann in sich hinein.
    Am Sonntagnachmittag sind meine Großeltern manchmal mit meiner Mutter in einen Salon gegangen, wo Tanzfeste veranstaltet wurden. Dort durfte sie unter den wachsamen Augen der Eltern mit einem jungen Mann tanzen. Natürlich war auch mein Vater, der »Alligator«, da, der immer nur Augen für meine Mama hatte. Sie zeigte ihm anfangs die kalte Schulter, als wollte sie ihm sagen: So einfach wird es nicht für dich, caimán. Doch irgendwann durfte er sie schließlich zum Tanzen auffordern. Und als sie sechzehn war, hat er um ihre Hand angehalten.
    Es gibt Menschen, die dafür geschaffen sind, zusammen zu sein. Meine Eltern gehörten dazu. Zwischen ihnen gab es immer so viel Liebe, Respekt und Harmonie. Als wir 2008 gemeinsam Silvester feierten, war ich so gerührt, die beiden beim Tanzen zu beobachten. Jeder konnte sehen, wie nah sie sich waren. An diesem Tag war ich mit meiner Mutter zur Behandlung im Krankenhaus gewesen, und die Ärzte hatten ihr fast einen Liter Flüssigkeit aus dem Bauch geholt. Sie reagierte auf das Schmerzmittel, das sie nehmen musste, allergisch. Es ging ihr also gar nicht gut, des halb schlug ich vor, sie nach Hause zu bringen. Aber sie sagte nur: »Nein, es ist Silvester, wir fahren nach Havanna. Dein Freund kommt extra hierher. Wir feiern.«
    Sie wollte, obwohl es ihr so schlecht ging, lieber mit uns zusammen sein und den Augenblick genießen. Sie hat gegessen, getanzt, gelacht und am Ende des Abends zu mir gesagt, wie viel Kraft ihr das gegeben hat. Da habe ich gelernt, wie wichtig es ist, einem kranken Menschen mit einer positiven Haltung und Energie zu begegnen. Denn dieser Mensch will leben – und dazu braucht er Kraft. Wenn du sagst: »Nein, du musst ins Bett«, dann ist das so, als würdest du sagen: »Nein, du bist tot.« Meine Mutter wollte aber nicht tot sein. Und sie wollte auch kein Mitleid. Sie wollte leben.
    Für diesen Abend hatte ich ihr extra ein Kleid in ihrer Lieblingsfarbe Flieder aus Deutschland mitgebracht. Sie sah wunderschön aus und war zugleich so schwach. Als wir miteinander tanzten, hatte ich richtig Angst, sie anzufassen, weil sie so zerbrechlich wirkte. Sie hielt sich an mir fest, und ich fühlte die Knochen durch den Stoff des Kleides. In dem Moment spürst du, dass jemand dabei ist wegzugehen.
    Danach tanzte sie mit meinem Vater, und die beiden
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