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Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Titel: Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1
Autoren: Am Abgrund
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an den großen Weihern, die hinter den Hügeln lagen und seinen Blicken somit entzogen waren. Vielleicht hatten sie sich auch in der Bauernburg versammelt, um dort ein Fest zu feiern.
    Und dazu hatten sie alle ihre Hunde und Katzen, Schweine und Ziegen, Pferde und Kühe mitgenommen?
Wohl kaum. Es mußte einen anderen Grund dafür geben, daß alles Leben aus Borsã geflohen zu sein schien.
Delãny hörte auf, sich den Kopf über etwas zu zerbrechen, worauf er sowieso keine Antwort finden würde, und ließ das Pferd ein wenig schneller traben. Am Fuße des Hügels schwenkte er nach links und ritt - mit schlechtem Gewissen ein kurzes Stück über einen frisch umgepflügten Acker, bis er den festgestampften Teil der Straße erreichte, der gut zwanzig Meter vor der eigentlichen Ortschaft begann.
Er wurde wieder langsamer. Die Stille schlug ihm wie eine Wand entgegen, und mit jedem Schritt, den er dem Ort näher kam, schien sich ein immer stärker werdender, erstickender Druck auf seine Seele zu legen.
Es war die Last der Erinnerung, die er spürte. Dies war der Ort seiner Kindheit, der Platz, an dem er aufgewachsen war, wo er gehen und reiten gelernt hatte, wo er Freundschaften geschlossen hatte - aber es war zugleich auch der Ort einer verletzenden Schmach und tiefen Enttäuschung. Nachdem er in noch sehr jungen Jahren in Zusammenhang mit dem Kirchenraub ins Gerede gekommen war an dem er selbst tatsächlich nicht teilgenommen hatte -, war er noch einmal ins Dorf gekommen. Er hatte nicht geahnt, daß man ihn mittlerweile in ganz Transsilvanien gesucht hatte, daß die Pfaffen nichts Besseres zu tun gehabt hatten, als ihn landauf, landab als Kirchenschänder und frechen Dieb zu diffamieren.
Die Dorfbewohner hatten ihn nicht gerade freundlich empfangen. Mit Schimpf und Schande hatten sie ihn die Dorfstraße hinuntergejagt, hinein in einen gleißend heißen Tag, dessen Helligkeit mit unglaublicher Brutalität in seine äußerst lichtempfindlichen Augen stach. Sie hatten mit Steinen und Kot nach ihm geworfen, ihn einen Ketzer und Teufelsanbeter genannt. Er hatte damals nicht gewußt, was mit ihm geschah - und eigentlich wußte er es ja auch heute noch nicht! -, er hatte einfach nur Angst gehabt. Er hatte geweint, geschrien, seine Freunde angebettelt, doch endlich auf ihn zu hören, Freunde, die plötzlich zu Feinden geworden waren, weil sie glaubten, daß er ein Gotteshaus geschändet hatte. Heute verstand er sie. Er hegte keinen Groll mehr gegen sie. Aber das linderte nicht den Schmerz, den die Erinnerung mit sich brachte.
Er dachte an seinen Großonkel Barak, und ein flüchtiges warmes Gefühl breitete sich in seinem Inneren aus. Barak war vielleicht der einzige gewesen, der damals zu ihm gehalten hatte; möglicherweise nicht einmal aus Freundschaft oder auch nur aus Sympathie, sondern aus ererbter Loyalität seinem Dorf gegenüber. Aber ganz gleich, warum - Barak hatte er es jedenfalls zu verdanken, daß er damals nicht auf der Stelle gesteinigt, sondern nur aus Borsã gejagt worden war. Er bedauerte, ihn seither nicht wenigstens noch ein einziges Mal wiedergesehen zu haben.
Ein Geräusch ließ ihn aufmerken. Etwas hatte geklappert - vielleicht nur der Wind, der mit einer losen Dachschindel oder einem Fensterladen spielte. Bestimmt nur der Wind. Trotzdem beschloß Delãny, dem Geräusch nachzugehen.
Es wiederholte sich nicht, aber er hatte sich die Richtung gemerkt, aus der es gekommen war. Wie erwartet fand er nichts außer einem lockeren Fensterladen, der
sich knarrend im Wind bewegte und gelegentlich gegen den Rahmen schlug.
Da er nun schon einmal hier war, konnte er das Haus auch genauer in Augenschein nehmen. Er stieg aus dem Sattel, schob die Tür vorsichtig mit der linken Hand auf und trat ein, die Rechte auf dem Griff des kostbaren Sarazenenschwertes, dem einzigen wertvollen Besitz, den sein Stiefvater von seinen abenteuerlichen Reisen mit nach Hause gebracht hatte.
Einen Moment lang glaubte er ein rasches Huschen in den Schatten vor sich wahrzunehmen; ein erschrockenes Seufzen, das Tappen federleichter eilender Schritte. Und er glaubte, etwas zu spüren - die Anwesenheit eines oder mehrerer Menschen, die ihn heimlich und mißtrauisch beäugten.
Delãny blieb stehen, zog das Schwert zwei Finger weit aus der Scheide und versuchte, die Dämmerung vor sich mit Blicken zu durchdringen. Gleichzeitig lauschte er konzentriert.
Die Schatten blieben Schatten, und er hörte auch nichts mehr. An diesem mit Erinnerungen
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