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Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)

Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)

Titel: Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)
Autoren: Iain Levison
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hätte?«
    Sie blickt mich an, vorsichtig und verwirrt. Das war kein schlechtes Argument, dennoch gibt sie nicht nach. Die eben noch so schönen und offenen Augen haben sich zu Schlitzen verengt.
    »Sehen Sie«, sage ich. »Ich bin der Mann aus den Nachrichten. Ich war heute früh im Fernsehen.«
    Mit ausschweifender Gestik deutet sie auf das Büro rund um sich, wo ich in den Kojen hinter ihr jede Menge Leute sehe, aber keinen Fernsehapparat. »Ich war hier«, sagt sie.
    »Okay, lassen wir mal die Tatsache beiseite, dass ich es nicht getan habe. Verurteilt wurde ich wegen Mordes, nicht wegen eines Sexualdelikts. Warum bin ich in der Datenbank für Triebtäter?«
    Die Frau wirft einen Blick auf den Computer und riskiert eine Vermutung. »Das war ein zwölfjähriges Mädchen?«
    »Na und? Kann ich nicht eine Zwölfjährige umbringen, ohne ein Triebtäter zu sein? Nehmen wir an, ich wäre ein Killer und würde die Straße runterspazieren und hätte plötzlich Lust, jemanden umzubringen, und die erste Person, die mir unterkommt, ist eine Zwölfjährige – würden Sie das als Sexualstraftat bezeichnen?«
    Diese Konversation behagt ihr sichtlich nicht; sie weicht vor dem Schreibtisch, vor dem Computer, vor mir zurück. Einige Leute schauen zu uns rüber. Wie üblich habe ich die falschen Worte gewählt, um meiner durchaus gerechten Sache Ausdruck zu verleihen, und wie üblich werde ich dafür bezahlen müssen.
    Indessen ruft sie nicht nach der Security, sondern blickt nach wie vor auf den Bildschirm, allerdings – um Abstand von mir zu halten – aus einer Distanz von etwa eineinhalb Metern. »Es handelt sich um das Jasmin-Gesetz«, sagt sie. »Hier steht, dass Sie in einer Datenbank von Leuten sind, die gegen das Jasmin-Gesetz verstoßen haben.«
    »Was ist denn das , bitte?« Ich schüttle den Kopf in resignierter Verärgerung.
    »Na ja, ich bin ja kein Jurist, aber ich kann mich an die Sache mit diesem Mädchen erinnern, vor ein paar Jahren war das. Es hat was mit Kindesentführung zu tun, und dass man gleich nach einer Verurteilung in eine Datenbank reinkommt. Oder so ähnlich. Jedenfalls geht’s um das Jasmin-Gesetz.«
    Das Jasmin-Gesetz also. Brittany-Gesetz. Tyler-Gesetz. Kendra-Gesetz. Jeder kriegt jetzt sein eigenes Gesetz. Wahrscheinlich gibt es ein Gesetz, das besagt, wenn deinem Kind was Schlimmes zustößt, dann musst du dazu ein Gesetz basteln. Wessen Gesetz ist es eigentlich, das vorschreibt, dass dir die Polizisten auf den Kopf hauen sollen, wenn man dich der Kindesentführung bezichtigt? Oder Beweise wegwerfen, die den Verdacht gegen dich entkräften würden? Dass sie sich weigern sollen, andere Verdächtige zu prüfen, wenn sie sich mal ein Bild gemacht haben? Gar nicht den Versuch machen sollen, dein Alibi zu checken? Vielleicht ist das ja das Jimmy-Gesetz. Muss ich mal nachschlagen.
    Sie starrt den Computer-Bildschirm an, vielleicht um einen Grund zu haben, nicht mich anschauen zu müssen. Schließlich sagt sie: »Ich kann nichts für Sie tun, solange das da drinsteht. Wenn Sie es nicht getan haben, sollte das nicht allzu lange dauern.«
    Ich schaue skeptisch. »Wir können Ihnen Ihre Taxilizenz nicht zurückgeben«, sagt sie, und trotz der Informationen im Computer, trotz meiner Worte sehe ich Mitgefühl in ihren Augen. Sie ist zu nett, um hier zu arbeiten.
    Ich muss niedergeschlagen wirken. Dabei bin ich mir gar nicht sicher, ob ich überhaupt wieder Taxifahrer werden wollte, ich wollte nur die Gewissheit haben, dass ich es könnte. »Ich wollte nur meinen verdammten Job zurück«, sage ich, beinahe flüsternd. »Ich wollte ja bloß … irgendwas zu tun haben.« Ich wusste nicht, wie wichtig diese einfachen Tätigkeiten sind, um den Alltag zu bestehen. Nach monatelangem An-die-Wand-Starren in einer nutzlosen und für jedermann wertlosen Existenz habe ich jetzt das Bedürfnis, wieder gebraucht zu werden.
    Ich seufze und schließe die Augen. »Okay, danke«, sage ich und drehe mich zur Tür um.
    Während ich mich zum Gehen wende, schnappt sie sich einen Notizblock. »Warten Sie!«, ruft sie mir nach. Ich drehe mich um und sehe, wie sie etwas auf einen Zettel schreibt, den sie mir in die Hand drückt. »Das ist nicht Taxifahren, aber immerhin ein Job«, sagt sie. »Mein Cousin hat ein Unternehmen, das mit der Reinigung von Gebäuden beschäftigt ist. Wenn Sie einfach nur einen Job wollen, können Sie ihn ja anrufen.«
    Ich nehme den Zettel mehr aus Höflichkeit denn aus Interesse. Reinigung von
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