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Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)

Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)

Titel: Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)
Autoren: Iain Levison
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Stimme im ganzen Studio widerhallen. Offenbar haben sie mein Mikrofon nicht ausgeschaltet und meine Bemerkung dient als nette Einleitung für Dr. Lakes Erscheinen auf dem Bildschirm. Ich sehe, wie Jim zu einem Mitarbeiter in der Kabine drüben schaut und sich mit der Hand quer über die Kehle fährt. Bring ihn zum Schweigen. Oder bring ihn um. Was immer der Hausfrau in ihrem Heim ein besseres Fernseherlebnis bringt, was immer den Waschmittelherstellern und Arzneimittelproduzenten und politischen Kandidaten besser entspricht, die die langen Werbeunterbrechungen dazu nutzen, mit ihrem Unsinn die zuschauenden Hausfrauen einer Gehirnwäsche zu unterziehen. Everett, das muss man ihm lassen, findet meine zur Unzeit geäußerten Worte zum Kreischen und bricht in ein polterndes Gelächter aus, so tief, dass es wie der Lockruf eines Elches klingt.
    »Ich habe eine einzige Scheißfrage beantwortet. Die haben mich nur hierhergebracht, damit ich ihnen mit meiner Blinddarmoperation ein Stichwort zu einem Thema liefere. Es ging ja gar nicht um Fehlurteile, es ging vielmehr darum, wie großartig wir behandelt wurden und wie glücklich wir waren.« Sie haben mein Mikrofon abgeschaltet, sodass meine Tiraden ungehört verhallen. Nur Everett Wells hält sich die Nase zu, um nicht losprusten zu müssen, und Jerome Loggins blickt mich mit Abscheu an.
    »Mann«, sagt er, seinen Kopf schüttelnd und bar jeglicher biblischer Heiterkeit, die ohne die Kameras rasch verdampft ist. »Sie haben gefurzt.«
     
    Von den TV-Studios fährt mich mein Chauffeur Brock zum Büro des Taxilenker-Verbands rüber.
    »Hallo, ich würde gern meine Taxilizenz zurückhaben, mit wem kann ich darüber sprechen?«
    »Zurückhaben? Haben Sie sie verloren?« Die Frau hält ihre Finger über der Tastatur in der Luft und wartet auf meine Antwort.
    »Kann sein.«
    »Sie wissen es nicht?«
    »Ich war im Gefängnis.«
    »Also verloren«, sagt sie fröhlich. Munter tippt sie in ihre Tasten. Sie ist übergewichtig, aber mit langen, dunklen Haaren und einem sehr hübschen, offenen Gesicht. Langsam bemerke ich das weibliche Geschlecht wieder, ein gutes Zeichen und ein Fortschritt auf meinem Weg zurück zu einem normalen menschlichen Wesen. Ich hatte mir immer gedacht, dass ich an dem Tag meiner Freilassung infolge des langen Verzichts jede Frau gierig anstarren würde, doch während der ersten paar Tage in Freiheit stellte ich fest, dass das Gegenteil der Fall ist. Die Frauen waren unsichtbar geworden. Der Teil in mir, der sich an ihnen erfreut hatte, war eingeschlafen. »Name und Geburtsdatum?«
    Sie tippt meine Daten ein und verzieht das Gesicht, als sie sieht, was da auf dem Bildschirm erscheint. »Oh«, sagt sie, und die anfängliche Flirtstimmung verdampft im Nu. »Hier steht, dass Sie ein … äh … ein verurteilter Sexualstraftäter sind.«
    »Wirklich? Ein verurteilter Sexualtäter?« Einige Köpfe drehen sich herum, und ich stelle fest, dass ich besser ein wenig leiser spreche. Ich versuche, mir vorzustellen, wie das nun wieder zustande gekommen ist. Um was für administrative Wirrnisse muss ich mich jetzt schon wieder kümmern? Ich will nichts weiter als meinen Job zurück. Wenn schon nicht bei Dillon, dann wenigstens bei einem anderen Taxiunternehmen. In Dallas gibt es fünfzig Unternehmen, für die ich arbeiten könnte.
    »So steht’s hier«, nickt sie und hofft, dass ich einfach gehe. »Wir können Ihnen Ihre Lizenz nicht zurückgeben.«
    »Aber … ich bin kein Sexstraftäter. Das ist falsch.« Ich lehne mich vor, um auf dem Computerbildschirm sehen zu können, wer hier welche unrichtigen Informationen über mich eingetragen hat, und die junge Frau springt zurück. Sie ist nicht begeistert, wenn sich ein abstoßender Sexualverbrecher in ihren höchstpersönlichen Bereich hineinbeugt. Ich seufze.
    »Hören Sie mal«, sage ich. »Ich wurde niemals wegen eines Sexualdelikts verurteilt. Ich wurde wegen Mordes in einem besonders schweren Fall verurteilt. Das hat mit Sex nichts zu tun.«
    Diese neue Info nimmt sie allerdings nicht gleich so für mich ein, wie ich das gehofft hatte. Im Gegenteil – ihr Ausdruck hat sich jetzt zu einem kontrollierten Ekel weiterentwickelt. Jetzt tippt sie wieder was in ihren Computer, liest irgendwas, dann sagt sie: »Sie haben ein zwölfjähriges Mädchen getötet.«
    »Nein, hab ich nicht. Deshalb bin ich ja hier. Glauben Sie, ich könnte einfach so durch die Straßen spazieren, wenn ich eine Zwölfjährige umgebracht
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