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Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)

Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)

Titel: Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)
Autoren: Iain Levison
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gehen, hat Vor- und Nachteile. Auf der Habenseite ist zu verbuchen, dass Charlie jede Woche seine regelmäßigen Fuhren absolviert und alles, was darüber hinaus anfällt, an seine Saufkumpane abgibt. Wenn ich zur Bar runtergehe, springen möglicherweise vier oder fünf zusätzliche Aufträge für mich raus. Auf der Negativseite ist zu sagen, dass Charlie, wenn er erst ein paar Biere intus hat, mit seinen endlosen Geschichten über die guten alten Tage des Taxifahrens nervt, über die frühen achtziger Jahre, als sie alle in Geld und Kokain schwammen. Oder die Geschichte über das Dreihundert-Dollar-Trinkgeld nach einer Fahrt nach Waco, oder die mit allerhand Augenzwinkern und vagen Andeutungen garnierte Story über die Stripperinnen, die ihn zu einer Party ins Marriott-Hotel eingeladen hatten. Ich vermute, der gute Charlie lag am Ende bewusstlos in einer Ecke, und die Stripperinnen stiegen auf dem Weg ins Badezimmer über ihn hinweg. Nun gut, ich denke, heute halt ich ihn aus. Bevor er anfängt, ins Land der Nostalgie aufzubrechen, ist er ein recht angenehmer Gesprächspartner, und die Extra-Fuhren kann ich auch gebrauchen.
    Ich ruf Charlie an und sag ihm, ich würde in ein paar Minuten dort sein. Ich schnapp mir die Wohnungsschlüssel, meine Brieftasche und mein Handy. Gerade als ich in Richtung Sullivan’s aufbrechen will, klopft es an der Tür.
    Mittags um eins an einem Donnerstag. Wer zum Teufel ist das? Vielleicht ein Paket von UPS. Ich bestelle ziemlich viel bei Amazon.
    Nachdem ich die Tür geöffnet habe, stehe ich drei Männern gegenüber, einem uniformierten Polizisten und zwei Typen in Anzügen mit überaus ernstem Blick. Mein erster Gedanke ist, dass möglicherweise ein entfernter Verwandter gestorben ist und die drei hier die traurige Nachricht überbringen. Gleich drei Leute als Trauerboten auszusenden, erscheint mir eine Verschwendung von Steuergeld.
    »Hey«, sage ich. »Was gibt’s?«
    Einer der Zivilen legt eine Hand gegen die Tür und drückt sie weiter auf. Er steckt seinen Kopf in meine Wohnung und sieht sich um. »Können wir reinkommen?«, fragt er.
    Das war eindeutig keine Frage, und schon ist er dabei, sich an mir vorbeischiebend, mein Apartment zu betreten, während ich ihn verwirrt anstarre. Die anderen beiden folgen ihm auf dem Fuß, wir stehen jetzt gemeinsam in meinem Flur, und die drei Bullen betrachten mich forschend.
    »Was läuft hier ab?«, frage ich.
    Keiner antwortet. Der erste Kriminalbeamte, ein älterer Mann mit schütterem Haar, riecht nach Zigarettenrauch. Er blickt sich in meinem gerade eben geputzten Apartment um. Auf meinem abgenutzten, beigen Teppich sind frische Staubsaugerspuren zu bemerken. Die beiden anderen starren mich konzentriert an, während sie sich an mir vorbeischieben, um ebenfalls in die Wohnung zu gelangen.
    »Ist was passiert?«, frage ich. Sieht ganz nach schlechten Nachrichten aus, weshalb es mir seltsam erscheint, dass der erste, nach Zigarettenrauch stinkende Typ jetzt mein Schlafzimmer betreten hat. Im ersten Augenblick bin ich nur froh, dass ich das Bett gemacht habe. Erst dann frage ich mich, was zum Teufel der Mann in meinem Schlafzimmer zu suchen hat. Ich steh hier draußen und bin jederzeit bereit, falls es sich um eine Todesnachricht handeln sollte.
    »Sie wollten gerade aufbrechen?«, fragt der zweite Bulle in Zivil und deutet auf die Schlüssel und das Mobiltelefon in meiner Hand. Er ist jünger, mit einem verschmitzten Lächeln, das offenbar Freundlichkeit signalisieren soll. Eine irgendwie seltsame Grimasse unter den gegebenen Umständen, die wohl kaum je einen von ihm verhörten Gauner beeindruckt hat. Wirkt eher wie eine Art Power-Grinser, ein hämisches Grinsen, das dich daran erinnert, wer hier wirklich die Macht hat. Instinktiv weiche ich vor ihm zurück und gebe die Antwort dem Jüngsten der drei, einem schwerfälligen Uniformierten, der mit einem Notizblock in der Hand im Eingang steht.
    »Ich treff einen Freund in der Bar gleich da vorne.«
    Der ältere Bulle kommt aus dem Schlafzimmer zurück – langsam, mäandernd, gleichsam alles um sich herum penibel registrierend. »Suchen Sie die Toilette?«, frage ich ihn. Anders kann ich mir sein Interesse an den anderen Zimmern in meinem Apartment nicht erklären. Ohne Antwort wandert er weiter in die Küche, wo das gespülte Geschirr gestapelt auf einem Tuch zum Trocknen liegt. Er starrt es an, als ob er daraus irgendwelche Rückschlüsse ziehen könnte.
    Ich will ja nicht unfreundlich
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