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Hoffnung Blaue Seiten (German Edition)

Hoffnung Blaue Seiten (German Edition)

Titel: Hoffnung Blaue Seiten (German Edition)
Autoren: Jannis Plastargias
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keine Luft zu bekommen – Angst, verrückt zu werden – Angst, ohnmächtig zu werden, die ganzen Unsicherheits-, Ohnmachts- und Benommenheitsgefühle, die Unwirklichkeitsgefühle. Wie sollte ich ihm begreiflich machen, dass mein Herz raste wie verrückt, dass ich plötzlich Schweißausbrüche bekam, zitterte, einen trockenen Mund bekam, Atembeschwerden gar, Beklemmungen in der Brust. Dass mir übel wurde, ich mich plötzlich erbrach, und dass bei dem Gedanken, aus dem Haus zu müssen, egal aus welchem Grunde, der Schwindel, der mich befiel, die Schwäche, Benommenheit, die ständige Angst, permanent auf Toilette zu müssen, aber nicht zu können, sobald ich aus dem Haus ging, irgendwann so übermächtig wurden, dass ich nur noch Gründe gegen das Ausgehen fand. Keine mehr dafür, auch nicht der Verlust des Jobs, immerhin eine gute, unbefristete Vollzeitstelle in einem Bereich, in dem heutzutage viele hervorragende Leute etwas suchen, aber keine Möglichkeit bekommen, auch zu finden.
     
    Es ist eine neue Situation für mich, ich habe noch nie einem Fremden solche Dinge über mich gesagt, ja, einem Psychotherapeuten, anfangs, als ich noch – sehr selten zwar – die Kraft aufbrachte, aus dem Haus zu gehen, ja, das bekam ich noch fertig. Aber ansonsten wussten es sehr wenige Menschen, und jetzt weiß es niemand mehr, auch meinen Geliebten kannte ich schon sehr lange – wir waren quasi nie getrennt voneinander gewesen, im gleichen Kindergarten, in der Grundschule, auf dem Gymnasium, in der gleichen Uni studiert. Und doch habe ich mich ihm erst sehr spät offenbart, also, sowohl meine psychische Störung, die katastrophale Ausmaße angenommen hatte, als auch meine Homosexualität, die er erahnt hatte, jedenfalls mehr als diese andere Disposition.
     
    Das kann sich ja auch niemand vorstellen. Du hältst es nicht aus, es ist, als ob jemand einen Eimer voll mit Skorpionen, Würmern, Käfern und Maden von oben auf dich ausschüttet, und du nicht mehr weißt, wo es kreucht und fleucht, an welchen Stellen du gebissen, gepiekst, zerfetzt wirst, wo ein Tier, welches auch immer, gerade in dich hineinkrabbelt, in welche Körperöffnung gelangt, in der an jeder Körperstelle etwas passiert. Du schüttelst dich, versuchst, diese Tiere loszuwerden, erträgst unheimliche Schmerzen, schlägst um dich, schreist um Hilfe, obwohl du genau weißt, dass niemand es hören kann. Du verlierst die Hoffnung, glaubst, dass es niemals vorbeigehen wird, diese Skorpione sind die Gedanken, die immer wiederkehren, die Käfer sind die Ängste, die immer wieder zu Bewusstsein gelangen, die Würmer sind die Gänsehaut und das Herzklopfen, die dich in so einer Panik befallen, die Maden sind die Ekelgefühle, die Verzweiflung, die allzu bekannt ist, weil sie immer da ist, minuten-, stunden-, tage-, wochen-, monate-, ja, jahrelang.
     
    Filigranlover möchte wissen, wie ich das mit dem Einkaufen mache. Ich sage: »Nichts einfacher als das, der Nachbarsjunge übernimmt das für mich«, und dann schreibt er so merkwürdige Sachen wie, ob ich ihn »vernaschen würde, wenn er mir die Naschereien bringt«, was ich völlig unangebracht finde. Was mir mittlerweile auch einen Stich ins Herz versetzt, weil ich mich mit Filigranlover verbunden fühle, weil ich möchte, dass er mich als Mann interessant findet und nicht als pathologischen Fall. Daher antworte ich barsch und fahre mit meiner Nachricht fort, die darin besteht, dass ich ihm erkläre, dass ich das Geld an die Mutter des Jungen überweise, per Online-Banking versteht sich, der Kleine die Tüten vor die Türe legt und drei Mal klopft, und wenn er weg ist, hole ich die Einkäufe herein – alles, was er nicht besorgen kann, bestelle ich im Internet.
     
    Filigranlover ist selbstverständlich nicht der Einzige, der mir schreibt. Aus einem mir unerfindlichen Grund schreiben mir Männer, die mich nachmittags bei mir zuhause besuchen möchten, um sich mit mir zu vergnügen. Dabei ist ganz deutlich, dass sie wahllos sind, Hauptsache ein Schwanz und ein Loch, um es obszön zu sagen, eine Möglichkeit, in einer anderen Wohnung Sex zu haben, ohne Probleme, und danach wieder aus dem Leben zu verschwinden. Ich bin zwar unerfahren, aber diese Geschichten kenne ich aus Schwulenbüchern, kenne ich aus dem Internet, aus diesen Foren für schwule Männer – dabei habe ich nur geschrieben, dass ich eine schöne Wohnung habe und besuchbar bin, um gleich deutlich zu machen, dass die potenziellen Treffen nur bei mir
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