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Hoffnung Blaue Seiten (German Edition)

Hoffnung Blaue Seiten (German Edition)

Titel: Hoffnung Blaue Seiten (German Edition)
Autoren: Jannis Plastargias
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ein sehr viel perfideres Spiel, nämlich mein Leben immer mehr zu beeinträchtigen, sie redete mir ein, den ein oder anderen Tag doch einfach zuhause zu bleiben, es störe sie nicht, und ich armer Teufel, ich könne doch nicht, und ich kranke Seele bräuchte doch gelegentlich Ruhe, ein Süppchen von ihr. Und so legte ich mich in diesen behaglichen Schoß meiner Mutter, die mich umsorgte, die mich zu ihrem neuen Projekt machte, die vermutlich nichts dafür tat, dass ich gesunde, eher im Gegenteil. Doch ich hörte weder auf meinen Psychotherapeuten, der dies immer wieder betonte, diese kranke Beziehung zur Mutter, den ich dann bald wechselte, so wie auch den nächsten, bis alles gut für mich war, bis ich entschied, nie wieder zu einem Psychotherapeuten zu gehen, nie mehr aus dem Haus, und dass das alles auch so gehen musste, meine Mutter war ja für mich da, später mein Geliebter, bis ich dann völlig aus der Welt war, in die ich gerade erst wieder mit langsamen Schritten hineingelange, auch dank Filigranlover.
     
    Zwei Tage bin ich ganz abstinent, keine Blauen Seiten, das Internet nur zur Recherche, doch, als ich mich erneut anmelde, schreibe ich sofort Filigranlover und erlebe etwas Überraschendes, denn da steht, dass dieses Profil deaktiviert wurde. Ich frage mich, was das soll, schreibe eine Kurzmitteilung an die Mobilfunknummer, die ich ihm einst abgerungen, aber noch nie ausprobiert hatte, und die, wie sich nun zeigt, auch gar nicht seine ist, denn als die SMS nicht anzukommen vermag, rufe ich die Nummer an und es kommt eine Ansage, dass die Nummer nicht vergeben sei. Auch die gemeinsamen Freunde auf den Blauen Seiten wissen nichts von ihm. Als ich sie näher über ihn befrage, erzählen sie mir alle, wie sehr sie alle verwundert seien, vor allem nach den sehr intensiven Chats, bevor er sein Profil deaktiviert habe, nach dieser intensiven Beschäftigung mit ihren Problemen, den Ratschlägen, all diesem, und plötzlich weg, einfach weg. Das sei schon sehr ungewöhnlich, ungewöhnlich, frage ich empört, ungewöhnlich, mehr als das, für mich ist es mehr als ungewöhnlich, es ist eine Katastrophe, eine Katastrophe ist das, und alles kommt wieder hoch, der Tod meines Vaters, meiner Mutter, meines Geliebten …
     
    Jedes Tagesende ist wie ein kleiner Tod, ist doch der Tod der Bruder des Schlafes, jede Trennung ist wie ein Tod, für mich ist jetzt alles wie der Tod, alles, mein Leben eine Farce, ein Leben, das darauf aufbaut, dass es da einen virtuellen Partner gibt, im Internet, der für einen da ist, der einem zuhört, der einen lieb hat, so wie man ist, der einem Freude bringt, Lebensmut, eine Farce ist solch ein Leben, das ich führe, das ich gezwungen wurde zu führen, von den Umständen, von den Ängsten, von meiner Mutter vielleicht, von meinem Vater, seiner Krankheit, seinem Tod, von der krankhaften Kümmernis meiner Mutter, von meiner eigenen Schwäche, ja, meiner Schwäche, meiner merkwürdigen Ichbezogenheit. Jawohl, ich bin nicht nur traurig, traurig über den Verlust, der sich so gut in mein Leben einreiht, ich bin auch wütend auf mich, darauf, dass ich mein Leben auf diese Weise eingerichtet habe, egal, ob ich dazu gezwungen wurde oder nicht. Ich weiß nicht, wieso das so ist, aber es macht mich wütend, dass ich so bin, verzweifelt wütend, und mich macht Filigranlover wütend, der nicht bei einem Unfall ums Leben kam, sonst hätte er sein Profil nicht deaktivieren können, oder hat es jemand anders für ihn übernommen? Wer weiß das schon, so oder so, er hatte andere Gründe, diese Gewissheit habe ich, sie macht mich wütend, und gleichzeitig traurig, ich weiß gar nicht, wie ich das wegstecken kann, was ich tun soll, was ich vom Leben möchte, jetzt. Die Hoffnung ist wieder verloren gegangen, wie gewonnen so zerronnen, sagt man, und die Hoffnung wird nicht mehr, als ich nach einigen Tagen der Verzweiflung, der Selbstmordgedanken, die ich nun nicht beschreiben möchte, weil ich mich dafür schäme, so sehr schäme, dass ich sie mir kaum eingestehen kann. Ja, die Hoffnung wird nicht größer, die Verzweiflung und Trauer nicht kleiner, als ich eine Nachricht auf den Blauen Seiten erhalte, die nicht von Filigranlover oder doch von ihm stammt, aber unter anderem Profilnamen, diesmal mit Fotos, Fotos eines jungen Mannes, der 25 Jahre alt ist, der sich bei mir Tausend Mal entschuldigt, mir mitteilt, dass er ein schlechtes Gewissen habe, weil er mich einfach für seine Studie benutzt habe, die er nach
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