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Hoffnung am Horizont

Hoffnung am Horizont

Titel: Hoffnung am Horizont
Autoren: Kerry Greine
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mir durch den ganzen Körper. Ich löse mich
schnell aus seinen Armen und trete ein paar Schritte zurück. Weiß er wirklich,
dass ich ihn gesehen habe? Es war dunkel draußen und im Esszimmer brannte Licht,
er kann mich nicht gesehen haben, rede ich mir weiterhin ein, obwohl seine
Worte eben ja durchaus deutlich waren.
    „Was wolltest du nicht?“,
frage ich ein wenig scheinheilig, um mich nicht zu verraten.
    „ Die andere Frau…, dass
du gesehen hast, wie ich…“
    Er lässt den Satz
unbeendet verklingen, ich weiß genau was er meint. Aber woher…?
    „Woher weißt du…?“
    Auch ich beende den Satz
nicht. Gabe seufzt tief und fährt sich mit beiden Händen über das Gesicht,
durch die langen Haare. Er sieht so unglücklich aus in diesem Moment, dass sich
mir das Herz zusammenzieht und ich ihn am liebsten in die Arme nehmen möchte.
Wortlos dreht er sich um und geht ins Wohnzimmer. Ich zögere, soll ich ihm
folgen? Kann ich ins Wohnzimmer gehen und die Bilder wieder ertragen? Wieder
diesen Esstisch vor mir sehen? Dann gehe ich ihm langsam hinterher. Ich bin
erschüttert, als ich im Vorbeigehen einen Blick in die Küche erhasche. Oder
das, was einmal eine Küche war. Beim letzten Mal war hier alles pikobello
aufgeräumt. Jetzt stapelt sich schmutziges Geschirr zwischen Pizzakartons, und
leeren Bier- und Whiskeyflaschen, Briefe und Papiere liegen ungeöffnet auf dem
Küchentisch verstreut. Ich beachte das Chaos nicht und gehe weiter in Richtung
Wohnzimmer. Ich gebe mir einen Ruck und trete durch die offene Tür. Dann bleibe
ich wie angewurzelt stehen und sehe mich um. Auch diesen Raum habe ich gänzlich
anders in Erinnerung. Ich muss ein paarmal blinzeln, ich traue meinen Augen
kaum. Überall liegen Bücher, CDs, DVDs, achtlos aus den Regalen gerissen. Der
gemütlich aussehende Ohrensessel ist umgekippt, die Bilder an den Wänden hängen
schief, eins liegt sogar auf dem Boden. Und der Esstisch… Der Esstisch ist weg.
Samt Stühlen. Da, wo er vorher stand, baumelt nur noch die Lampe von der Decke
über einem leeren Fleck auf dem Parkett. Als Colin meinte, Gabe wäre hier die
Wände hochgegangen, hat er das scheinbar wörtlich gemeint.
    „Was ist denn hier
passiert?“, bringe ich gerade noch fassungslos heraus. Gabe fährt sich mit
einer Hand durch die Haare, einen Mundwinkel zu einem halben Lächeln verzogen.
Seine Wangen röten sich ein wenig. Oder bilde ich mir das nur ein? Nein, ganz
sicher nicht. Es ist ihm durch und durch peinlich, dass ich das Wohnzimmer so
sehe.
    „Was ist mit dem Tisch?“,
frage ich, was mir als Erstes in den Sinn kommt.
    „Ich dachte, es wäre dir
vielleicht… ich weiß nicht… unangenehm? Ich habe ihn weggegeben.
Entschuldigung, ich hatte vergessen, wie es hier aussieht.“
    Ja, definitiv, es ist ihm
peinlich. Ein ganz kleines bisschen freue ich mich ja darüber. Das hier ist für
mich der ultimative Beweis, er hat sich wirklich Sorgen gemacht, ich bin ihm
zumindest nicht ganz egal. In der Hand hält er auf einmal ein Stück Stoff, dass
er vom Sofa genommen hat und dass er mir jetzt hinhält. Automatisch nehme ich
es. Es ist der Babybody. Dieses winzige erste Kleidungsstück für unser Kind,
das ich ihm damals zeigen wollte. Meine Ausrede hierher zu kommen. Stumm starre
ich darauf, während die Gedanken wie lästige Fliegen durch meinen Kopf
schwirren. Nicht greifbar und doch unglaublich präsent.
    „Der lag auf der Veranda.“
    Leise, flüsternd dringt
Gabes Stimme zu mir durch und die Gewissheit durchdringt mich. Er weiß es. Er
weiß, dass ich es war. Er weiß, was ich gesehen habe. Der Body muss mir aus der
Manteltasche gefallen sein, ich habe es nicht einmal bemerkt. Mir war schon
völlig entfallen, dass ich ihn da hinein gestopft hatte, mir ist nicht einmal
aufgefallen, dass er weg ist.
    Zögerlich, fast schon
fragend fährt Gabe mir mit dem Daumen über die Wange, zieht die Hand gleich
wieder weg. Und erst da sehe ich eine Träne, die auf seinem Finger glitzert.
    „Bitte, nicht weinen
Jules.“
    Seine Stimme ist so rau,
so voller Emotionen, dass ich es endlich schaffe, meinen Blick von dem Body in
meiner Hand loszureißen und ihn anzusehen. Diese wunderschönen, schokobraunen
Augen. So traurig, sehnsüchtig sehen sie mich an.
    „Du hättest das nie sehen
dürfen. Es hätte nicht einmal passieren dürfen. Ich weiß, du wirst mir nicht
glauben, aber seit dir… seit uns… es gab keine Andere. Sie war die Einzige. Ich
weiß, das ist keine Entschuldigung, aber nach
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